Donnerstag, 4. März 2010

Keine Meinung

Drei Tage, nachdem ich dieses Blog eingerichtet habe, halte ich es immer noch für eine gute Idee, und auch wenn ich an diese Form der Mitteilung noch nicht recht gewöhnt und bislang also in Ausdruck und Inhalt eher zurückhaltend bin, macht es mir gleichwohl Spaß, und ich freue mich jeden Tag darauf, wieder etwas zu schreiben.

Das Schöne am Bloggen ist unter anderem das Gefühl, zur ganzen Welt sprechen zu können - eine Vermessenheit ganz ohne Zweifel, aber eben doch sehr motivierend. Also wünscht man sich, daß von dieser großen weiten Welt wenigstens ein winzig kleiner Teil Kenntnis davon nimmt, was man zu sagen hat, und damit das so ist, weist man Freunde und Bekannte zartfühlend auf sein Geschreibsel hin und beginnt, Leser zu sammeln.

Natürlich ist nicht zu vermeiden, daß sich diese fleißig gesammelten Leser hin und wieder zum Gelesenen äußern. In den meisten Fällen ist das sogar ganz schön. Aber eine Rückmeldung hat mich denn doch ein wenig irritiert. Es sei, so schrieb mir eine liebe Freundin, ganz nett, aber eben keine Meinung. Sie wolle also mal weiterlesen und abwarten, was noch komme.

Hm.

Meinung?

Ist es denn Sinn und Zweck, ja vielleicht sogar Legitimationsgrundlage eines Blogs, Meinungen kundzutun? Was aber, wenn ich gar keine Meinungen habe? Wenn ich mich frank und frei dazu bekenne, in zahlreichen Fragen des Lebens schlechterdings meinungslos zu sein? Darf ich dann nicht mehr bloggen?

Die Sache ist die: Früher, als ich noch jung war, jünger als jetzt zumindest, da hatte ich zu allem eine Meinung und tat kaum etwas lieber, als diese Meinung zu äußern und gegen (echte oder vermeintliche) Widerstände mit leidenschaftlicher Argumentation zu verteidigen. Ja, mehr als das, ich versuchte sogar, andere von der Richtigkeit meiner Meinung zu ÜBERZEUGEN! Je älter ich jedoch wurde, desto klarer wurde mir, daß kaum jemand überzeugt werden WILL. Jeder hat bereits eine Meinung, und diese ist so sehr von seinen persönlichen Prägungen, Erfahrungen und Denkmustern bestimmt, daß es so gut wie unmöglich erscheint, sie zu objektivieren und also argumentativ übertragbar zu machen. Und wozu auch?

Und also beschloß ich, über Meinungen und Ansichten zu bestimmten Themen nicht mehr zu diskutieren, insbesondere nicht über Religion, Politik, Wirtschaft und Kultur. Es wird einem ja doch nur übel genommen, besonders, wenn man tatsächlich die besseren Argumente hat. Heute ist es mir von Herzen egal, ob jemand an päpstliche Dogmen glaubt, die neueste Ausstellung in der Albertina für mißlungen hält oder meint, Habsburg müsse Bundespräsident werden. Er mag nach seiner Facon selig werden. Ich höre mir seine Meinung sogar gern an, denn Meinungen interessieren mich gar nicht mal so selten. Aber es gibt so viele davon, daß ich meine eigene nicht auch noch äußern muß.

Falls ich eine habe. Eine Meinung. Gute Güte, muß man denn zu allem eine Meinung haben? Zu vielen Fragen, das gebe ich offen zu, wage ich es kaum, eine Meinung zu entwickeln, teils, weil mich die Sache an sich nicht interessiert, teils aber auch, weil es mir an jener Sachkenntnis mangelt, die eine fundierte Meinungsbildung eigentlich erfordert. Alle Welt meint, sich mit Halbwissen und dreister Anmaßung Meinungen über Gegenstände bilden zu müssen, die sie nicht mal im Ansatz begreifen... ich finde das ermüdend. Dinge zu beurteilen und einzuordnen liegt wohl (Gott sei's geklagt) in unserer Natur. Aber ein Gefühl, ein intuitives Zustimmen oder Ablehnen ist noch keine echte Meinung. Also äußere ich mich nicht, solange ich nicht wirklich behaupten kann, eine ausgereifte Meinung entwickelt zu haben. Und wenn es so weit ist, äußere ich mich erstrecht nicht mehr.

Dieses Blog soll erzählen. Es soll Eindrücke und Erlebnisse wiedergeben und mir ein Ventil sein für das, was mich beschäftigt (sofern es für die (mein Blog ohne Zweifel sehr aufmerksam verfolgende) Weltöffentlichkeit geeignet und nicht zu persönlich ist). Meinungen hingegen soll es nicht hinausschleudern, oder doch eher ausnahmsweise. Und so bleibt mir nur zu hoffen, daß all dies meinen Lesern reicht, daß es sie unterhält und vielleicht ein wenig inspiriert. Dann wäre ich zufrieden.

P.S.: Damit wir uns nicht falsch verstehen - natürlich komme ich nicht umhin, zu den vier Kernthemen, über die ich nicht diskutieren mag, eigene Meinungen zu hegen! Ich bin weder unpolitisch noch ignorant. Ich spreche nur nicht gern darüber, solange sich die Vielfalt der Ansichten in einem wünschenswerten demokratischen Rahmen entfaltet. Begegne ich jedoch radikalen Ansichten, die die von mir geübte Toleranz und Liberalität untergraben, die ungerecht, gefährlich oder amoralisch sind in dem Sinne, daß sie anderen etwas aufzwingen, was sie nicht wollen, sie verletzen oder ihnen schaden, kurz: daß sie die Freiheit anderer unzulässig beeinträchtigen, dann habe ich sehr wohl eine Meinung und werde sie auch äußern!!