Mittwoch, 23. März 2011

Frankfurt

Hier wird an den Wolken gekratzt. Hier wird Geschäft gemacht. Hier berauscht man sich an der eigenen Wichtigkeit. Glasriesen überragen hochmütig ihre Fachwerkvorfahren, aber man schafft Atmosphäre. In die gigantische Skulptur aus Türmen und Straßen sind ein paar schicke Bars und Restaurants eingestreut. Ein bißchen Kultur, ein bißchen Lifestyle. Man hat ja "Lebensqualität".

Nadelstreifen sitzen in Straßencafés und bestätigen sich gegenseitig darin, bedeutend zu sein. Sie halten sich immer noch für die lockeren, schwingenden Linien, die sie mit 20 waren, und laufen doch streng parallel.

Man muß ein wenig suchen, um etwas Liebenswertes an Frankfurt zu finden. Es gibt es gleichwohl. Ein paar kleine Gemüsestände, an denen hessische Bauersfrauen ihr Waren und ihre von allem Business Glamour völlig unbeeindruckte Lebensweisheit feilbieten. Ein winziges, halbprofessionelles Theater in einem schäbigen Hinterhof. Ein Antiquariat, das ums Überleben kämpft und doch nicht aufgibt. Und der Dom, der nicht mehr als höchstes Gebäude dasteht, die Blasphemie der umgebenden Hochhäuser jedoch mit erhabener Gelassenheit ignoriert.

Seltsam, wieder hier zu sein. Seltsam, die alten Wege zu gehen. Das vergangene Leben ist hier so stark, daß es das gegenwärtige fast verblassen läßt. Ich habe Termine. Ich trage Nadelstreifen. Der Rausch der Wichtigkeit, dem auch ich mich hier einst hingab, ist immer noch bestechend.

Und doch - nach 24 Stunden fehlt mir Wien bereits.

Mittwoch, 16. März 2011

Lob und Dank

Lob ist in der Regel eine erfreuliche Sache. Von manchen Menschen gelobt zu werden, sollte einem jedoch den nackten, brechreizenden Ekel in die Kehle treiben. Menschen, deren Ansichten und Handlungen frevelhaft und grausam sind, in ihrem Tun so weit zu bestärken, daß sie sich zu höhnischem Dank animiert fühlen, ist widerwärtig und sollte eigentlich tiefe Selbstzweifel und eine radikale Abkehr von allem bewirken, was ein solches "Lob" begründet.

"Man konnte sich auf keine gemeinsame Linie einigen" - das Tagungsergebnis der G8-Außenminister ist skandalös und zynisch. Als stünde die einzige gebotene "Linie" auch nur ansatzweise in Frage - Kampf dem Tyrannen und Rettung eines unterdrückten, unter Lebensgefahr um seine Freiheit ringenden Volkes. Stattdessen erklärt man schwammig, man werde den Druck verstärken und tut - nichts.

Es ist widerwärtig, und ich schäme mich als Mensch und als Deutscher dafür, daß "meine" Bundeskanzlerin in ihrer feigen Wirtschaftshörigkeit dem Despoten in Libyen Anlaß zu Lob und Dank gegeben hat. Ein solches Verhalten ist m.E. Beihilfe zum Völkermord, und wenn kein juristisch belegbares Verbrechen vorliegt, dann doch wenigstens ein moralisches.

Und allmählich frage ich mich, ob der Tatbestand des Artikels 20 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland nicht längst erfüllt ist.

Samstag, 12. März 2011

Drei kleine Worte

Ich sehne mich so sehr danach,
Dir endlich "Ich Dich auch" zu sagen.
Doch wo der erste Satz nicht fällt,
Kommt auch die Antwort nicht zum tragen.

Freitag, 11. März 2011

Morgen

Das Morgen sorge für sich selbst, sagte neulich jemand. Heute sei es eben so und so, und was morgen sei, wisse man nicht. Das Morgen sorge für sich selbst. Sprach's und schwieg.

Mag sein. Ich bin kein Planer. Wahrlich nicht. Die paar Pläne, die ich überhaupt je hatte, sind grandios gescheitert. Ich mag und akzeptiere die Überraschungen, die das Leben jeden Tag bereithält. Aber das Morgen deshalb ganz und gar für sich selbst sorgen lassen? Nein.

Heute ist es so und so. Ganz recht. Aber schon heute können wir die Wege beschreiten, die wir morgen gehen möchten. Heute können wir uns um das bemühen, was wir uns für morgen ersehnen. Heute ist das Leben nur einen Tag länger als morgen.

Es kommt wie es kommt - gerade als Rheinländer weiß man das. Ja, irgendwie sorgt das Morgen für sich selbst. Aber damit sollte man sich nicht jeden Tag trösten, während das allzu kurze Leben verstreicht.

Wenn wir heute darauf warten, daß sich unsere Sehnsüchte morgen von alleine erfüllen, kommen wir nicht weiter. Und das wäre ja schade. Vielleicht scheitern wir. Vielleicht wird das Morgen nicht so, wie wir es erhoffen. Aber versuchen sollten wir es. Heute schon.

Dienstag, 8. März 2011

Blendwerk

Ein „Top Event“ mal wieder. Irgendwas mit „Elite“ und „hochkarätig“ hatte auf der Einladung gestanden. Unter Aufzählung diverser Vorstandsposten und Ehrenämter wird mir ein Mann als „Herr Mag. Dr. Soundso“ vorgestellt, den ich kurz zuvor dabei beobachtet habe, unsagbar feindselig mit seiner Frau umgegangen zu sein, und ich denke mir nur: Was für ein erbärmliches Arschloch.

Und abermals stelle ich fest, daß mich Titel, Ämter und Karrieren per se nicht beeindrucken. Vermutlich, weil mich immer nur der Mensch als solcher interessiert, dessen Persönlichkeit und Charakter durch Weihen und Würden allein keinerlei Aufwertung erfahren. Gewiß, akademische Grade und Titel indizieren einen spezifischen Bildungsweg und damit eine funktionale Qualifikation für bestimmte Positionen innerhalb des sozialen Systems, und daß diese Art Qualifikation für viele Aufgaben vonnöten ist, bleibt unbestritten.

Aber uns ist offenbar der Sinn dafür abhanden gekommen, die funktionale Pyramide, zu der sich eine Gesellschaft gemäß den Qualifikationen und Aufgaben ihrer Mitglieder zwangsläufig formt, von der menschlichen zu unterscheiden, die sich völlig unabhängig von der sozialen Stellung (und damit nach außen hin sehr viel schwerer erkennbar) aus charakterlicher Integrität und ethischen Werten, sprich: daraus ergibt, ob jemand einfach ein guter Mensch ist. Wer seine menschliche Insuffizienz mit sozialem Status übermalt, verdient kaum Bewunderung.

Der Mann genießt sein Ansehen und die Fragen der Speichellecker um ihn herum. Seine Frau steht steinern lächelnd neben ihm. Er hat einiges beizutragen zum Thema des Tages. Schließlich ist er in der Position dazu. Ich halte ihn immer noch für ein Arschloch.


P.S.: Damit man mich nicht falsch versteht: Ohne Zweifel gibt es auch Menschen, die ihren hervorragenden Charakter und ihre außerordentliche Persönlichkeit bemerkenswerten Karrieren nutzbar machen und innerhalb der funktionalen Pyramide weit aufsteigen, ohne in der menschlichen abzusinken. Ihnen gilt meine ganze Bewunderung. Aber bei ihnen ist das Erlangen von Titeln und Ämtern dann eben keine persönlichkeitsbildende (oder gar
-ersetzende) Maßnahme, sondern allenfalls Folge und Beiwerk ihres Lebensweges und hat somit mehr ästhetische als moralische Bedeutung.