Montag, 26. September 2011

Narrentanz

Seht her - der Hofnarr ist da! Wie drollig er sich bewegt, pulsierend am ganzen Leibe. Wie er sich windet und tanzt! Die ulkigsten Verrenkungen führt er vor, nur um zu gefallen. Schaut ihn an - er zerreißt sich geradezu für uns! Daß man sich so verbiegen kann! Da geht ein Lachen durch den Saal, daß es eine Freude ist. Ein wenig lassen wir ihn noch tanzen. 

Mach weiter, Narr! Laß nicht nach! Allzu komisch bist Du anzuschauen, und niemand könnte sagen, was unterhaltsamer ist - Dein Tanz oder das Schwinden Deiner Würde. Aber wer weiß - vielleicht darfst am Ende ein wenig von unserem Tische naschen. Vielleicht daran Platz nehmen für immer. Ausgeschlossen ist es nicht. Streng' Dich halt an!

Nein, so ist es nicht genug! Den Sprung hast Du gestern schon gezeigt! Und dieses Kunststück auch! Gib Dir mehr Mühe, Narr! Tanze! Beschenke uns mit Deinen Possen! Wirst Du Dich wohl bemühen?!

Du brichst Dir was! Nur weil wir Dich treten? Tanz weiter, Du Narr! Wir treten Dich, so oft wir wollen. Bewerfen Dich mit Messern. Weil Du uns gehörst und uns gehören willst. Wenn Du brichst, dann für uns. Für uns bist Du nur, was Du vorführst.

Nun wird's uns fad. Der Tanz stört das Gespräch. Längst locken andere Lustbarkeiten. Seht mal, den Bettler dort! Da, am Ende des Tisches! Er nimmst sich dreist von unseren Speisen, und wir haben es nicht bemerkt. Ohne Tanz, ohne Verdienst und Rücksicht hat er sich einfach bedient. Brav so, guter Mann! Nimm den ganzen Braten! Der Narr, er ist uns lästig.

Nun geh, Narr. Wir haben es uns überlegt. Du bist nun nicht mehr lustig. Hebe Deinen zerbrochenen Leib hinweg von uns und wisch' Dein Blut vom Boden auf. Der Braten ist ohnedies schon gegessen.

Montag, 12. September 2011

Jazzkeller, irgendwo in Wien

Schwarzgeklimper Kratzgitarre Rauchgefidel.
Rote Lampen versprühen schräge Töne
durch Schwaden grasiger Kultur.
Kunst ist das hier, einbrennsam
dem Offenen, klatschend sphärisch
erhobene Reisverschlußträger.

Freitag, 9. September 2011

Heißes Wasser

Ich öffne den Wasserhahn. In der Therme knistert hektisch der Zündfunke, und dann geschieht, was lange nicht ging: Mit einem dumpfen Fauchen entflammt das Gas, und langsam wird das ins Waschbecken sprudelnde Wasser warm. Ich kann mir ein breites Lächeln nicht versagen, als ich dem Installateur danke und ihn verabschiede.

Duschen also! Zwei Wochen, nachdem die Sanierungsarbeiten an den Gasleitungen des Hauses begonnen haben, endlich wieder heiß duschen. Ich ziehe den Vorhang zurück und steige in die Badewanne. Lasse das Wasser fließen, und das leise Fauchen des entflammenden Gases in der Therme bestätigt mir, daß es kein schöner Traum war. Es wird warm.

Ein leichtes Schaudern überläuft mich im ersten Moment, und meine Haut scheint sich zu sträuben, aus Gewohnheit vielleicht, als der erste Wasserguß auf mich niederregnet. Aber sogleich von der Wärme besänftigt, verfließt das Schaudern und weicht einem wohligen Geborgenheitsgefühl... "Duscho moja!" denke ich in einem höchst albernen deutsch-kroatischen Wortspiel und schließe die Augen vor Genuß und Wonne...

Sich ganz durchwärmen zu lassen von der prasselnden Flut, die Haare zu waschen, langsam und schäumend, und auch angesichts schrumpelnder Fingerkuppen noch ein paar Minuten länger zu verweilen, während Schwall um Schwall warmer Wasserstrahlen den Körper streichelt... welch ein Glück! Ja, das hat mir gefehlt. Und ich gleite ab, lasse mich berieseln, und in mir entstehen Bilder, wachsen Ideen... ein Traumland, das sich mir in der Geborgenheit aus Wärme und Plätschern erschließt... und ich weiß, was ich mit dem Tag anfangen werde.

Kalt geduscht hinterher, das muß sein, erfrischt und duftend ans Werk. Es geht mir gut. Daß man das jeden Tag haben kann, ist Luxus. Die Entbehrung hat mir das verdeutlicht. Tatsächlich ist sogar kaltes Wasser Luxus. Ich freue mich daran, bin glücklich über diese kleine, allzu selbstverständliche Alltäglichkeit. "Danke für die Mitteilung!" schrieb eine Freundin in jener gewohnt sarkastischen Art, für die ich sie so mag, auf meine Meldung bei Facebook, daß ich nun wieder heißes Wasser habe. Ich fand, es war eine Nachricht wert.