Montag, 29. April 2013

Erdnußgeschichte

Weil ich nur ganze Erdnüsse mag, beschäftige ich jetzt einen Notar, der mir die halben aussortiert. Ich bin sehr zufrieden.

Meine Mutter fragt, ob das nicht eine ungeheure Verschwendung sei - schließlich bildeten die aussortierten halben Erdnüsse doch bestimmt einen beträchtlichen Ausschuß! Ich weiß es nicht, sage ich ihr. Ich spreche mit dem Notar nicht über Zahlen. Er möchte es gern, das kann ich spüren, aber schließlich habe ich ihn nicht als Aufsichtsrat engagiert, sondern als Sortierer. Wozu bräuchte eine simple Sache wie Erdnüsse auch einen Aufsichtsrat? Absurd.

Der Notar macht seine Sache sehr gut. Eine Ikone der Zuverlässigkeit zu sein, ist tief in seinem Selbstbild verankert. Und im Bild des Notars in der Öffentlichkeit natürlich. Ich bezahle ihn daher für 80 Stunden pro Woche. Natürlich esse ich nicht so viele Erdnüsse! Aber ich weiß ja nie, wann ich welche essen möchte, und dann möchte ich sie frisch sortiert. Nicht auf Vorrat. Am besten vor meinen Augen, sonst zählt er wieder heimlich mit. Und ich finde nicht, daß er mehr über meine Erdnüsse wissen muß als ich selbst. Sowas geht doch nicht.

Ich weiß nicht, ob sich der Aufwand lohnt. Schon mit dem ersten Biß zerspringen die Erdnüsse ja doch in ihre zwei Hälften. Es ist einfach nur das kurze Gefühl vollständiger Kerne im Mund, bevor man zu kauen beginnt. Ich mag das. Meine Mutter findet es seltsam. Sie rät mir, meine Zeit sinnvoller zu nutzen. Und vielleicht Nüsse zu mögen, die ohnedies vollständig sind. Haselnüsse zum Beispiel. Die mag ich ja auch, aber Erdnüsse sind richtiger. Ungesünder gewiß, und aufwendiger. Aber ich will nur sie.

Dem Notar ist es recht - er verdient gut daran, und noch hat der Mangel an Befriedigung, den diese blöde Arbeit mit sich bringt, die Höhe seines Einkommens nicht entwertet. So gierig ist er. Noch.

Ich bleibe bei den Erdnüssen. Den empfindlichen, zerbrechlichen. Sie sind gut. Vielleicht bleiben sie ja irgendwann von alleine ganz.

Samstag, 27. April 2013

Die Party

Ihr Verhältnis war nicht mehr so, wie es einmal gewesen war, aber sie waren immer noch Nachbarn. Und sie hatten gemeinsam ein großes Kunstwerk erschaffen, das Kritiker, Presse und Publikum gleichermaßen begeisterte. Dieses Werk band sie aneinander, und hier und da gaben sie eine gemeinsame Pressekonferenz oder berieten die weitere Vermarktung. Aber ein Paar waren sie eben nicht mehr, und zumindest er litt sehr darunter.

Irgendwie verstand er ihre Distanziertheit der Idee gegenüber, es vielleicht doch noch mal zu versuchen, denn nach allem, was sie in ihrer schwierigen Beziehung erlebt hatten, glaubte sie halt, sich schützen zu müssen. Und weil er sie liebte, ließ er sie. Dennoch tat es ihm weh, wenn er ihre neuen Freunde und Bewunderer die Treppe hinaufkommen sah und hörte, wie sie von ihr herzlich begrüßt wurden, während sie ihm den Zutritt zu ihrer Wohnung nicht mehr gestattete, ihrer schönen kleinen Wohnung, in der er einst so zu Hause, so glücklich gewesen war.

Dabei war sie nicht einmal unfreundlich. Sie sprach mit einer honigsüßen Stimme und einem unschuldigen Lächeln zu ihm, und in jedem fast zärtlich hingehauchten Wort fand er das Ende ihrer Liebe umso schmerzhafter besiegelt. Er liebte sie glühender denn je und versuchte so verzweifelt, ihr zu gefallen, daß er nach und nach zu einer ebenso lachhaften wie lästigen Figur wurde. Er wußte das, und doch gab er nicht auf.

Eines Tages schien sie etwas zu veranstalten. Er hörte durch die Wände Musik, das Gemurmel vieler Stimmen und fröhliches Gelächter. Neugierig ging er auf den Gang hinaus und sah, daß ihre Türe einen Spalt offen stand. Gerade erblickte er einen ihrer ehemaligen Liebhaber in der Mitte des Zimmers, als sie an den Türspalt trat und ihm die Sicht verstellte.

"Hallo", sagte er, "feierst Du eine Party?"
"Naja", antwortete sie, honigsüß lächelnd, "nichts Großes. Nur ein paar Freunde, die mir zu unserem Kunstwerk gratulieren wollen!"
"Warum hast Du mich denn dann nicht eingeladen?" fragte er und spürte jenen Stich im Herzen, den jede ihrer Achtlosigkeiten bei ihm auslöste. "Immerhin ist es unser..."
"Aaach, es ist doch nur eine oberflächliche kleine Party", erwiderte sie. "Das verstehst Du bestimmt. Die meisten Leute kenne ich gar nicht wirklich."
"Aber findest Du es nicht seltsam, daß zum Beispiel er da" - er deutete mit dem Kopf in Richtung ihres Ex-Liebhabers - "dabei sein und unser Kunstwerk bewundern darf, während Du mich nicht mal mehr in Deine Wohnung läßt?"
"Du, wie gesagt", entgegnete sie mit ihrer süßesten Stimme, "das bedeutet mir doch alles gar nichts. Wir beide haben doch einen viel echteren Austausch miteinander als er auf einer blöden Party möglich ist."
"Mir tut es trotzdem weh!" sagte er. "Schließlich haben wir uns mal auf einer Party kennengelernt..."
"Ja, das stimmt schon", antwortet sie, "aber weißt Du, ich denke, ich schicke eh gleich alle nach Hause, dann ist die Party vorbei und wir haben das Problem nicht mehr! Laß uns doch einfach bald wieder telefonieren, ja? Da können wir doch viel besser reden! Also, bis bald, und alles Liebe für Dich!"

Sprach's, lächelte ihn noch mal kurz an und schloß dann die Tür vor seiner Nase. Nun konnte er nicht mehr hineinschauen. Die Party ging indes noch recht lange weiter, und nach Hause geschickt wurde niemand. Außer ihm.