Donnerstag, 28. Dezember 2017

Weihnachtswerte

Schon seit einigen Jahren halten wir uns in meiner Familie relativ konsequent an die Abmachung, uns zu Weihnachten nichts zu schenken. Zu gut versorgt, zu wenig bedürftig sind wir alle miteinander, und so reichen wir uns allenfalls Kleinigkeiten, Nützliches oder Genußvolles, eher Nebengeste als Hauptzweck.

Ein Geschenk ist mir dieses Jahr indes besonders lieb und teuer: das alte Telefon meiner Großeltern, das ich irgendwann im Sommer in einem schuppenartigen Nebengebäude des Stammhauses meiner Familie versteckt und verdreckt gefunden hatte, und das mir meine Tante nun gern überließ. Ich nahm es mit nach Hause, reinigte es sorgfältig (wobei ich das gesamte Badezimmer einsaute), trocknete es, und auf einmal stand es wieder genau so da, wie es jahrelang bei meinen Großeltern gestanden hatte, die Rufnummer, von meinem Großvater einst eigenhändig auf das papierne Etikett der Wählscheibe geschrieben, noch lesbar wie eh und je.

Wie oft ich diese Nummer gewählt habe! Wie wundervoll es war, wenn sich die edle, gütige Stimme meines Großvaters oder die etwas resolutere und doch immer liebevolle meiner Großmutter meldete und ich alles sagen, alles fragen konnte, was mir auf dem kindlichen Herzen lag, Besuche vereinbaren, Neuigkeiten austauschen oder mich einfach nur versichern durfte, daß es ihnen gut ging und sie immer noch (für mich) da waren. Es war dieser Hörer, den sie dabei in der Hand hielten, diese Muschel, in die sie sprachen, wenn ihre Stimmen, ihre Weisheiten und ihre Güte an mein Ohr drangen.

Sie fehlen mir unendlich, meine Großeltern, die nun schon gute 20 Jahre tot sind - besonders an Weihnachten, diesem für meine Familie so bedeutsamen, gefühlsinnnigen Fest. Was gäbe ich drum, wenn ich den Hörer aufnehmen und noch einmal mit ihnen sprechen könnte! Wie gern würde ich ihnen erzählen, wie es mir ergangen ist seit ihrem Dahinscheiden, was ich erlebt und gelernt, erlitten und errungen habe. Und wieviel schwerer das alles ohne sie war.

Nun steht ihr Telefon bei mir, abgekabelt, stumm, funktionslos, und doch deutlich versinnbildlichend, wofür es einst angeschafft wurde: Austausch, Gespräch, Nähe und Teilnahme, Liebe und Zusammenhalt. Diese Werte habe ich ganz besonders von meinen Großeltern gelernt, und kein Tod, keine Zeit und kein Vergehen kann sie mir nehmen. Sie sind, verdichtet in einem alten Telefon, mein schönstes Weihnachtsgeschenk!

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Eine Advents(kalender)geschichte


Meiner Tochter

Am 1. Dezember machte sich ein kleiner Stern auf den langen Weg zum Weihnachtshimmel. Die Sterne hatten sich vorgenommen, sich zum Weihnachtsfest zu versammeln und gemeinsam heller und festlicher zu strahlen als je zuvor, um die Geburt des Jesuskindes zu feiern. Wochenlang hatten sie sich geputzt und mit Licht aufgeladen. Auch der kleine Stern war blank gewienert und leuchtete wunderschön golden und hell. Er war gerade mal einen Tag unterwegs, da hatte er eine Begegnung.

Am 2. Dezember traf der kleine Stern nämlich ein kleines Mädchen, das weinte und im Wald umherirrte. "Was machst du denn hier so tief im Wald?" fragte der kleine Stern. "Ich habe mich verlaufen und finde den Weg nach Hause nicht mehr!" schluchzte das Mädchen. "Oh, da kann ich Dir helfen“, rief der kleine Stern, „laß mich mit meinem Sternenlicht deinen Weg beleuchten, und dann findest Du ganz schnell nach Hause!" So machten sie es, und bald war das Mädchen zu Hause und dankte dem kleinen Stern von Herzen. Der Stern freute sich sehr! Zwar hatte er von seinem Licht abgegeben und strahlte nicht mehr so ganz so hell wie zuvor. 'Aber ich konnte dem kleinen Mädchen helfen', dachte er, 'und das ist das Schönste, was man tun kann. Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 3. Dezember kam der kleine Stern in eine schöne Stadt. Da liefen die Menschen durch die Straßen und drängelten sich in den Geschäften und hatten es eilig, weil jeder noch rechtzeitig seine Weihnachtsgeschenke einkaufen wollte. Nur ein alter Mann stand traurig am Rand. "Was hast du denn?" fragte der kleine Stern. "Ach", sagte der Mann, "ich würde meiner Enkeltochter so gern etwas Schönes schenken. Aber ich bin arm und habe kein Geld. Nun weiß ich nicht, was ich tun soll." Da überlegte der kleine Stern kurz und sagte dann: "Ich gebe dir ein bißchen von meinem Sternenlicht! Das kann man nicht kaufen, und deine Enkeltochter wird sich bestimmt freuen!" Da war der alte Mann sehr glücklich, bedankte sich und ging davon. Der kleine Stern war sehr froh, daß er helfen konnte. 'Vielleicht bin ich jetzt nicht mehr ganz so hell', dachte er, aber für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 4. Dezember wanderte der kleine Stern an einem großen, dunklen Haus vorbei. Das ist bestimmt unbewohnt, dachte er, aber dann hörte er durch ein offenes Fenster einen Kinderchor ein schönes Weihnachtslied singen. Er schwebte durch die Tür, über der in großen Buchstaben "Kinderheim" stand, und fand den Chor, der in einem dunklen Saal mit einer Lehrerin sein Lied übte. "Warum probt ihr denn hier im Dunklen?" fragte er. "Ach", sagte die Lehrerin, "man hat uns den Strom abgestellt, und nun haben wir kein Licht und keine Heizung und können nicht mal unseren Weihnachtsbaum erleuchten!" "Da kann ich euch helfen!" rief der kleine Stern und entzündete mit seinem Licht alle Lampen und den Weihnachtsbaum, und sofort wurde es warm und hell im Kinderheim. Da weinten die Kinder vor Freude und sangen noch viel schöner als zuvor. Der Stern war überglücklich, daß er den Kindern so viel Freude gemacht hatte. Er war wieder ein bißchen dunkler geworden, aber das war ihm egal. 'Für den Weihnachtshimmel', so dachte er, 'bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 5. Dezember fand der kleine Stern am Wegesrand einen kleinen Vogel, der traurig piepste und nicht mehr fliegen konnte. "Was hast Du denn?" fragte der kleine Stern. "Ich habe mir den Flügel gebrochen, und nun kann ich gar nicht mehr fliegen und muß wohl erfrieren!" antwortete der Vogel. Das tat dem kleinen Stern in der Seele weh, und er rief: "Da kann ich dir helfen!" Und mit seinem Sternenlicht bestrahlte er den Flügel so lange, bis er geheilt war und der Vogel fröhlich und dankbar davonfliegen konnte. Der kleine Stern winkte ihm hinterher und freute sich unendlich darüber, wie sehr er mit seinem Sternenlicht helfen konnte. Er war zwar ein kleines bißchen blasser als zuvor. 'Aber', so dachte er, 'für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug! '

Am 6. Dezember sah der kleine Stern plötzlich einen alten Mann mit einem dicken roten Mantel und einem langen weißen Bart, der gemächlich durch den Schnee stapfte. "Wer bist denn du?" fragte der kleine Stern. "Ich bin der Nikolaus", sagte der Mann, "und ich bin auf dem Weg zu den braven Kindern, um ihnen Geschenke zu bringen. Die bösen Kinder aber bekommen nichts! In diesem Goldenen Buch stehen schon fast alle Kinder drin. Kennst Du vielleicht noch ein liebes Kind?" "Oh ja!" rief der Stern, und mit seinem hellsten Strahl schrieb er mit leuchtenden Buchstaben einen Namen in das Goldene Buch des Nikolaus. Dabei dachte er heimlich: 'Hoffentlich ist das Kind jetzt auch wirklich ganz, ganz lieb – ich habe schließlich mein schönstes Licht dafür hergegeben. Aber für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

‪Am 7. Dezember kam der kleine Stern überhaupt nicht voran. Ein langer Stau hatte sich auf der Straße gebildet, denn eine Ampel war ausgefallen, und niemand wußte mehr, wann er fahren durfte. Alle Menschen, die in ihren Autos zum Weihnachtsfest nach Hause fahren wollten, hupten und warteten, und es war gar keine schöne Stimmung. Da beschloß der kleine Stern, zur Kreuzung zu schweben und wie eine Ampel zu leuchten. Er drehte sich bald hierhin, bald dahin, winkte immer abwechselnd den einen Autofahrern zu, daß sie nun fahren könnten, dann den anderen, und so löste sich der Stau bald auf und alle kamen rechtzeitig nach Hause. Darüber freute sich der kleine Stern sehr. Das Ampelspielen hatte ihn wieder viel Licht gekostet, aber er dachte sich: 'Das macht doch nichts, wenn man helfen kann. Für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'‬

Am 8. Dezember hörte der kleine Stern plötzlich laute Stimmen. Er blieb vor dem Fenster stehen, aus dem die Stimmen kamen, und sah einen Mann und eine Frau, die sich heftig stritten. "Du hast mich angelogen!" rief die Frau, und der Mann antwortete wütend: "Das ist überhaupt nicht wahr! DU wolltest doch nichts mehr mit mir zu tun haben!" Und so ging es in einem fort. Da klopfte der kleine Stern ans Fenster und sagte: "Warum streitet ihr denn? Bald ist Weihnachten, und da sollen sich doch alle Menschen liebhaben!" Und mit seinem Sternenlicht wärmte er die Herzen des Paares, und sie umarmten sich und gaben sich einen langen Kuß. "Danke, kleiner Stern", sagten sie, "da hast du völlig recht!" Der kleine Stern zog glücklich weiter und dachte: 'Die haben mein Licht wirklich gebraucht! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 9. Dezember gelangte der kleine Stern ans Meer. Da tobte ein wilder Sturm, und die Wellen stürzten krachend ans Land. Eilig sah sich der kleine Stern nach einem Unterschlupf um und entdeckte auf der Düne einen alten, verlassenen Leuchtturm. 'Da finde ich gewiß Schutz vor dem Sturm', dachte er sich und schlüpfte durch die Tür. Als er oben ankam, sah er in den Wellen ein Schiff, das geradewegs auf die Küste zusteuerte. "Oweh!" rief er aus. "Die fahren ja gleich gegen die Felsen!" Und er leuchtete, so hell er nur konnte, und schon bald drehte das Schiff ab und fuhr zum sicheren Hafen. 'Puh, das war knapp', dachte der kleine Stern erleichtert. 'Ich werde einen Brief an die Hafenbehörde schreiben, daß sie den Leuchtturm wieder in Betrieb nehmen. Das Schiff ist jedenfalls sicher! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 10. Dezember stieg dem kleinen Stern plötzlich ein betörender Duft von Weihnachtsplätzchen in die Nase. Neugierig bog er in die Gasse, aus der der Geruch herüberwehte, und fand eine hell erleuchtete Bäckerei. Aber der Bäcker und seine Gesellen standen ganz traurig um den Ofen herum. "Grüß euch Gott", rief der kleine Stern, "hier riecht es so gut nach Weihnachtsplätzchen! Backt ihr gerade welche für alle lieben Kinder?" "Das wollten wir", sagte der Bäcker, "aber leider ist unser Ofen ausgegangen! Jetzt können wir nicht mehr genug für alle Kinder backen." "Das wäre ja zu schade", rief der kleine Stern, "laßt mich Euch helfen!" Und mit seinem Sternenlicht entfachte er ein helles Feuer im Backofen. "Danke, kleiner Stern!" rief der Bäcker glücklich. "Nun können wir allen Menschen Weihnachtsplätzchen backen!" 'Wie sich da alle Kinder freuen werden', dachte der kleine Stern, 'das war das Licht auf jeden Fall wert! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 11. Dezember wanderte der kleine Stern über ein schneebedecktes Feld. Da sah er plötzlich ein Engelchen, das etwas zu suchen schien. "Was machst du da?" rief er ihm zu. "Ach", antwortete das Engelchen, "ich habe meine Trompete im Schnee verloren, und am Heiligen Abend soll ich doch mit dem Engelsorchester am Weihnachtshimmel spielen!" "Da gehe ich auch hin", sagte der kleine Stern, "laß mich Dir helfen!" Und er beleuchtete das Feld und half dem Engelchen suchen, bis sie die schöne silberne Trompete endlich gefunden hatten. Da war das Engelchen sehr froh und rief: "Danke, kleiner Stern! Nun werde ich wunderbar spielen können! Wir sehen uns am Weihnachtshimmel!" Glücklich und voller Vorfreude auf das Weihnachtsfest zog der kleine Stern weiter und dachte: 'Das wird so wunderschön! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 12. Dezember, es war schon Abend und fast dunkel, erblickte der kleine Stern in der Ferne ein prächtiges Schloß. Neugierig näherte er sich, überquerte die Brücke zum Tor und klopfte an. Ein alter König öffnete ihm. "Du hast aber ein schönes Haus!" sagte der kleine Stern. "Ja, das schon", sagte der König, "aber ich bin immer so müde und habe gar nichts davon!" "Warum schläfst Du denn nicht?" fragte ihn der kleine Stern. "Ich mag die Dunkelheit nicht beim Einschlafen!" antwortete der König. "Oh, das kenne ich", sagte der kleine Stern, "da kann ich dir vielleicht helfen!" Und so blieb der Stern in des Königs Schlafgemach und leuchtete sanft, bis der König eingeschlafen war. Bevor er leise davon schlich, ließ er noch ein bißchen Sternenlicht da, das fortan in blauen Lampen am Bett des Königs leuchtete. So war es nie mehr dunkel, und der König konnte viel besser einschlafen. Das freute den kleinen Stern, und er dachte bei sich: 'Nun scheint mein Licht sogar in einem Schloß! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 13. Dezember machte der kleine Stern Rast auf einer Bank am Wegesrand. Darauf saß bereits ein Dichter, der schrieb etwas aufs Papier, fluchte, zerknüllte es und begann von vorn. "Was machst du denn da?" fragte der kleine Stern. Der Dichter sah ihn traurig an. "Ich soll ein Weihnachtsgedicht schreiben, aber mir fällt gar nichts ein!" sagte er. "Hm", sagte der kleine Stern. "Was kann man denn da tun?" "Ach, nichts", sagte der Dichter, "so ist das halt beim Schreiben. Man muß auf die Erleuchtung warten." ""Könnte ich dich nicht bißchen erleuchten?" fragte der kleine Stern. "Versuch' es mal", lachte der Dichter, und der kleine Stern schwebte direkt über seinen Kopf und leuchtete besonders schön und klug. Und tatsächlich - bald begann der Dichter zu schreiben und verfaßte das schönste Weihnachtsgedicht seines Lebens. Da war der kleine Stern glücklich, daß er helfen konnte und sein Licht nun in den schönen Worten des Dichters leuchtete. 'Das bleibt für immer', dachte er, 'und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 14. Dezember kreuzte ein Bahngleis den Weg des kleinen Sterns. Die Schranken waren schon herabgelassen, aber der Zug kam und kam nicht. Endlich puffte und schnaufte aus der Ferne eine alte Lokomotive heran, sehr langsam und mit viel Mühe. "Was ist denn los?" rief der kleine Stern dem Lokführer zu, als der Zug vorüber fuhr, "warum seid ihr so langsam?" Neugierig schwebte er auf den Führerstand der Lok. "Wir haben zuwenig Kohle", sagte der Lokführer, "dabei wollten wir doch all unsere Fahrgäste rechtzeitig nach Hause bringen!" "Laß mich mal sehen!" antwortete der kleine Stern, und mit seinem Sternenlicht entfachte er das Feuer unter dem Kessel, bis es gleißend loderte. Sofort wurde die alte Lok schneller, und der Lokführer rief glücklich: "Nun bringen wir doch noch alle rechtzeitig ans Ziel!" Da freute sich der kleine Stern, wischte sich den Kohlenstaub von den Strahlen, sah an sich herab und dachte zufrieden: 'Für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 15. Dezember erhielt der kleine Stern einen Brief von einer wunderschönen Prinzessin. "Lieber kleiner Stern", stand darin, "ich habe gehört, daß Du so gern Menschen hilfst. Heute abend geben meine Eltern ihren großen Weihnachtsball, aber ich habe den hellsten Edelstein aus meiner Krone verloren! Könntest Du mir da helfen?" Der kleine Stern dachte nach. Kronen und Edelsteine waren ihm gar nicht wichtig, aber die Prinzessin hatte so nett geschrieben. Also machte er sich auf den Weg zu ihr, klemmte sich in die leere Stelle in ihrer Krone und strahlte den ganzen Abend. Als der Ball vorbei war, dankte ihm die Prinzessin von Herzen. Der kleine Stern aber sagte: "Ich habe dir gern geholfen. Aber Schmuck und Schönheit sind nicht so wichtig wie Güte und Hilfsbereitschaft. Dir geht es sehr gut - denke daran, wenn jemand deine Hilfe braucht!" Das versprach die Prinzessin, und der kleine Stern wanderte weiter. 'Wenn die Prinzessin das Licht, das ich ihr geschenkt habe, fortan an alle verteilt, die es brauchen, habe ich ein gutes Werk getan! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 16. Dezember ging der kleine Stern duch einen Wald, als er plötzlich ein klägliches Piepsen vernahm. Er blieb stehen, horchte und erblickte schließlich eine winzigkleine Maus im Schnee, die am ganzen Leibe zitterte. "Was tust du denn bei dieser Kälte hier draußen?" fragte der kleine Stern. "Ich möchte ja gern in meine Höhle gehen", antwortete die kleine Maus, "aber der Eingang ist zugeschneit, und ich komme nicht hindurch!" "Wir sollten dich erst einmal wärmen!" rief der kleine Stern und hüllte er die Maus in so warmes Sternenlicht, daß ihr Fell zu leuchten begann. "Und wo ist nun deine Höhle?" fragte er dann. "Da unter dem Baum", sagte die Maus, und der kleine Stern leuchtete so hell und warm, daß der Schnee abschmolz und der Eingang bald wieder frei war. Glücklich schlüpfte die kleine Maus hinein und sagte: "Danke, kleiner Stern! Ohne dich wäre ich gewiß erfroren!" "Ich habe dir sehr gern geholfen, und dein Fell wird nun den ganzen Winter warm bleiben", sagte der kleine Stern, "das macht mich sehr froh, und sieh nur - für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!"

Am 17. Dezember kam der kleine Stern in ein Dorf, in dem ein wunderschöner Weihnachtsmarkt aufgebaut war. An einem der Stände stand eine lange Schlange von Menschen. "Was gibt es denn hier Schönes?" fragte der kleine Stern einen der Wartenden. "Hier gibt es Feuerzangenbowle", antwortete der Mann, "das ist ein köstliches Getränk, das man anzünden kann, und dann brennt es lustig, und wenn die Flamme ausgeht, kann man es trinken!" "Das ist ja toll!" jubelte der kleine Stern. "Das will ich auch probieren!" "Da mußt du aber leider lange warten", sagte der Mann, "das Anzünden dauert so lange, und heute ist im Ausschank auch noch jemand krank geworden." "Aber da kann ich doch aushelfen!" rief der kleine Stern, und schon war er in den Stand geschwebt und zündete mit seinem Sternenlicht einen Becher Feuerzangenbowle nach dem anderen an, und alle Menschen bekamen ganz schnell ihr Getränk, und noch nie hatte es ihnen so gut geschmeckt. Als der Weihnachtsmarkt zumachte, war der kleine Stern ganz schön müde von der Arbeit am Stand. 'Aber wieviele Menschen ich heute glücklich gemacht habe', dachte er froh, 'und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 18. Dezember war der kleine Stern schon eine Weile gewandert, als plötzlich zwei Männer eilig an ihm vorbeiliefen. Ihre Gesichter waren ganz rot, und im Lauf keuchten sie weiße Atemwolken in die kalte Luft. "Wo rennt ihr denn hin?" rief der kleine Stern und schwebte ihnen rasch hinterher. "Zum Stall - ein Fohlen ist geboren! Ich bin der Tierarzt, das hier ist der Bauer." schnaufte der eine der beiden. 'Das muß ich mir ansehen', dachte der kleine Stern und schloß sich den beiden an. Im Stall war es dunkel und eiskalt. Neben der Stute lag ein kleines Fohlen im Stroh. Es war noch ganz naß, zitterte sehr und kam nicht auf die Beine. "Mach schnell das Licht an und dreh die Heizung hoch!" sagte der Tierarzt zum Bauern. Der Bauer betätigte den Schalter, aber nichts geschah. "Der Strom muß ausgefallen sein!" sagte er. "Aber dann friert das arme Fohlen ja!" rief der kleine Stern. "Laßt mich helfen!" Und er strahlte ganz warm und hell, und endlich konnte der Tierarzt das Fohlen abtrocknen und ihm auf die dünnen Beine helfen. "Jetzt ist alles in Ordnung - wenn es steht, kann es endlich trinken!" sagte er. Der kleine Stern war unsagbar erleichtert! 'Wie gut, daß ich helfen konnte', dachte er, 'und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 19. Dezember war der Himmel mit dichten Wolken verhangen, und kein Sonnenstrahl drang hindurch. Als es Abend wurde, legte sich Finsternis über die Welt. Der kleine Stern wanderte durch einen düsteren Wald und beleuchtete mit seinem eigenen Sternenlicht den Weg, als er mit einemmal ein paar Tiere auf einer Lichtung sitzen sah. Da war ein gemütlicher Bär, ein schlauer Fuchs, eine Hasenfamilie, ein paar Mäuse, ein sehr netter Wolf, die Eichhörnchen natürlich und auch Igel, Rehe und Vögel. Alle sahen ein wenig ratlos aus. "Was macht ihr denn hier im Dunkeln?" fragte der kleine Stern. "Nun", antwortete der Bär, "wir haben heute eigentlich unsere Weihnachtsfeier. Normalerweise funkeln die Sterne, und der Wolf singt mit seinen schönsten Weihnachtsliedern den Mond an. Aber du siehst ja, wie finster es heute ist! Kein Mond und keine Sterne. Außer dir natürlich!" "Oh, eine Weihnachtsfeier!" freute sich der kleine Stern. "Darf ich mitfeiern? Ich leuchte euch auch!" Und er flog durch die Baumwipfel und verteilte sein Licht auf den Ästen, bis die ganze Lichtung festlich erstrahlte. Da sangen die Tiere alle gemeinsam "Fröhliche Weihnacht überall" und der kleine Stern sang glücklich mit. 'Das ist die schönste Weihnachtsfeier, die ich je gesehen habe!' dachte er. 'Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug.'

Am 20. Dezember saß der kleine Stern gerade andächtig in einer dämmrigen Dorfkirche, als ein kleines Männchen hereinkam, sich den Schnee von der Jacke klopfte und die Treppe zum Turm hinaufstapfte. Kurz darauf hörte der kleine Stern ihn murmeln: "Potzblitz, sitzt das fest!" Neugierig schwebte er hinauf und sah das Männchen nach Leibeskräften an einem dicken Seil ziehen. "Was machst du denn da?" fragte der kleine Stern. "Ich möchte die Weihnachtsglocke läuten", antwortete das Männchen, "aber sie scheint vereist zu sein und bewegt sich kein bißchen!" Der kleine Stern war sofort begeistert! "Eine Weihnachtsglocke wollte ich ja schon immer mal läuten! Darf ich's mal versuchen?" fragte er. Und schon schwebte er den Turm hinauf, bis in die Glocke hinein, und leuchtete so warm, daß das Eis schmolz. Dann setzte er sich auf den Klöppel und begann zu schaukeln, immer schneller, immer höher, bis die Glocke den ersten Schlag tat. Nie hatte sie süßer geklungen als zu dieser Weihnachtszeit, und alle Menschen, die das Geläut hörten, waren wundersam beglückt. Der kleine Stern aber dachte: 'So also klingt eine Weihnachtsglocke im Sternenlicht! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug.'

Am 21. Dezember begegnete der kleine Stern auf seinem Weg drei weisen alten Männern. "Wo geht ihr hin?" wollte er von ihnen wissen. "Wir haben die Sterne beobachtet und gesehen, daß sich der Weihnachtshimmel formt!" sagte der eine. "Und den möchten wir uns ansehen!" sagte der zweite. "Denn da leuchten die Sterne besonders festlich", ergänzte der dritte, "und wo der hellste Stern erstrahlt, da ist das Christkind ganz nah!" "Zum Weihnachtshimmel möchte ich auch!" rief der kleine Stern. "Da kann ich euch ein Stück führen!" Und wie er ihnen so voranschwebte und ihnen den Weg beleuchtete, fragte er sich, für wen wohl die Geschenke wären, die sie dabei hatten. Als hätten sie seine Gedanken erraten, erzählten sie ihm, daß die Geschenke für das Christkind seien, weil es doch sonst immer allen anderen Kindern und allen Menschen Geschenke bringe und nun auch einmal etwas bekommen sollte. Das fand der kleine Stern wunderbar, und er leuchtete noch heller, damit sie auch bestimmt auf dem richtigen Weg blieben. 'Wenn das Christkind sich freut, dann freuen sich alle anderen Kinder auch', dachte er, 'dafür leuchte ich gerne! Und für den Weihnachtshimmel bin ich gewiß noch hell genug!'

Am 22. Dezember sah der kleine Stern weit vor sich auf dem Weg ein mattes Licht. Er flog etwas schneller, näherte sich dem Licht und erkannte, daß es ein anderer Stern war, der sich ebenfalls auf dem Weg zum Weihnachtshimmel befand. Aber er war blaß, und sein Licht war ganz trübe. "Was ist denn mit dir los?" fragte der kleine Stern. "Hach", antwortete der andere Stern, "ich bin seit dem 1. Dezember auf dem Weg zum Weihnachtshimmel und habe unterwegs so vielen Geschöpfen geholfen, daß mein Licht fast aufgebraucht ist. Nun werde ich wohl nicht so schön strahlen wie alle anderen Sterne." "Das wollen wir doch mal sehen!" sagte der kleine Stern entschlossen. "Ich teile mein Licht mit dir, und dann werden wir beide wunderschön leuchten!" "Wirklich?" fragte der andere Stern und konnte sein Glück kaum fassen. "Das ist ja unglaublich lieb von dir! Danke!!" Und der kleine Stern gab ihm solange von seinem übrigen Sternenlicht ab, bis er wieder hell leuchtete. Ein Stück weit gingen sie zusammen, dann mußte der andere Stern abbiegen. Der kleine Stern aber dachte: 'Wie wunderbar, daß der andere Stern nun wieder schön leuchtet! Und ich...', er blickte kritisch an sich hinab, 'bin für den Weihnachtshimmel gewiß noch hell genug. Hoffe ich.'

Am 23. Dezember wurde der kleine Stern ein bißchen traurig. Auch er hatte nun sehr vielen Geschöpfen geholfen, und natürlich bereute er nichts! Aber sein Licht war doch schwächer geworden, und statt hell zu strahlen, glomm er nur noch matt. 'Besonders festlich werde ich am Weihnachtshimmel wohl nicht aussehen', dachte er gerade, als er ein noch traurigeres Gesicht erblickte. Eine Frau mit großen Augen saß an ihrem weihnachtlich dekorierten Fenster und sah auf die Straße hinaus, die der kleine Stern gerade entlangging. Er klopfte an die Scheibe. "Warum schaust du so traurig aus deinem schönen Fenster?" fragte er. "Weil ich niemanden habe, dem ich es zeigen kann", antwortete die Frau, "niemanden, der meine Hand hält und mit mir aus dem Fenster sieht am Weihnachtsabend." Der kleine Stern dachte nach. "Ich habe fast kein Licht mehr", sagte er dann, "sonst würde ich es dir zum Trost schenken. Aber da draußen leuchten viele Sterne, und einer davon scheint nur für dich. Du hast sein Licht längst im Herzen - du mußt es nur öffnen!" Da lächelte die Frau, und ihre großen Augen begannen zu leuchten. Der kleine Stern war glücklich. Es machte ihm nun gar nichts mehr aus, daß er nicht mehr strahlte - alle, denen er geholfen hatte, hatten sein Licht viel nötiger gebraucht. 'Wenn man gut zu anderen ist', dachte er, 'und hilft, wo man kann, ist man für den Weihnachtshimmel immer hell genug!'

Am 24. Dezember kam der kleine Stern endlich am Weihnachtshimmel an. Es war noch mal ein ganz schöner Aufstieg gewesen; über die höchsten Berge und durch die dicksten Wolken war er geklettert, bis er ans Himmelstor gelangt war, aber schließlich war er am Ziel seiner Reise! Er verschnaufte kurz, blickte noch einmal an sich hinab, richtete sich auf und trat ein. Es war ein Anblick, wie er ihn noch nie gesehen hatte! Alle Sterne hatten sich versammelt, einer leuchtete heller und glanzvoller als der andere, und es war ein Funkeln und Strahlen am Himmelszelt, daß der kleine Stern kurz blinzeln mußte, um sich an das gleißende Licht zu gewöhnen. Die Sterne plapperten und plauderten, schwatzten und erzählten Geschichten. Viele hatten sich lange nicht gesehen und freuten sich, sich endlich mal wieder zu treffen, und so füllte ein Gewirr von Stimmen, von Lachen und Liedern den ganzen strahlenden Himmel aus. Als aber der kleine Stern eintrat, verstummten alle und sahen ihn an. Der kleine Stern bekam einen gewaltigen Schreck ob dieser plötzlichen Stille, und ein banges Ahnen stieg aus seinem pochenden Sternenherzen, daß er eben doch nicht mehr hell genug sei für den Weihnachtshimmel, doch nicht mitmachen dürfe beim festlichen Leuchten und die anderen Sterne ihn nun bitten würden, wieder zu gehen. Dann aber brachen sie in einen ohrenbetäubenden Jubel aus, und alle Sterne klatschten und jauchzten. Und plötzlich trat aus ihrer Mitte das Christkind hervor, trat auf den kleinen Stern zu und sprach zu ihm: "Du hast auf Deinem Wege allen geholfen, die Hilfe brauchten, und nicht darauf geachtet, wieviel Licht es Dich kostet! Ganz selbstlos hast Du es verschenkt und immer fest daran geglaubt, am Ende noch hell genug zu sein. Genau diese Hilfsbereitschaft, diese Liebe und Güte sind das, was ich mir zu Weihnachten am allermeisten wünsche. Daher sollst Du belohnt werden! Alle Sterne haben sich bereit erklärt, Dir ein bißchen von ihrem Licht abzugeben und Dich wieder hell erstrahlen zu lassen!" Und tatsächlich stieg von allen Sternen wie golden glitzernder Staub das Sternenlicht auf und formte sich zu einer leuchtenden Wolke. Etwas schöneres hatte der kleine Stern noch nie gesehen, und wie er so verzückt da stand und in die funkelnde Wolke blickte, rieselte das Licht der Sterne warm und hell auf ihn herab, und er begann, heller und schöner zu glänzen als je zuvor. Und wieder brachen die Sterne in ein Jubeln und Singen aus, daß es eine Freude war, und das Engelsorchester stimmte seine schönsten Weihnachtslieder an! Unten auf der Erde sahen die Menschen und Tiere in den Himmel, der nun festlich erstrahlte, und erkannten in seiner Mitte deutlich den kleinen Stern, der nun der strahlendste von allen war. Und mitten unter ihnen waren alle versammelt, denen der kleine Stern geholfen hatte: Da war das kleine Mädchen, der alte Mann, der Kinderchor und der kleine Vogel; der Nikolaus, die Autofahrer aus dem Stau, das Paar, das sich gestritten hatte, und die Besatzung des geretteten Schiffes; der Bäcker, das Engelchen, der alte König, der Dichter, der Lokführer und alle Menschen aus dem Zug; die Prinzessin, die Maus, die Menschen vom Feuerzangenbowlenstand, der Bauer und der Tierarzt mit dem Fohlen, die Tiere des Waldes, der Glöckner, die drei Weisen und auch die Frau vom Fenster - alle waren gekommen und blickten zum kleinen Stern empor. In ihren Augen leuchtete das Sternenlicht, und jeder dachte bei sich: "Danke, kleiner Stern! Mit Deinem Licht hast Du mir das schönste Weihnachtsfest meines Lebens geschenkt - und für den Weihnachtshimmel warst Du immer hell genug!"