Donnerstag, 28. Dezember 2017

Weihnachtswerte

Schon seit einigen Jahren halten wir uns in meiner Familie relativ konsequent an die Abmachung, uns zu Weihnachten nichts zu schenken. Zu gut versorgt, zu wenig bedürftig sind wir alle miteinander, und so reichen wir uns allenfalls Kleinigkeiten, Nützliches oder Genußvolles, eher Nebengeste als Hauptzweck.

Ein Geschenk ist mir dieses Jahr indes besonders lieb und teuer: das alte Telefon meiner Großeltern, das ich irgendwann im Sommer in einem schuppenartigen Nebengebäude des Stammhauses meiner Familie versteckt und verdreckt gefunden hatte, und das mir meine Tante nun gern überließ. Ich nahm es mit nach Hause, reinigte es sorgfältig (wobei ich das gesamte Badezimmer einsaute), trocknete es, und auf einmal stand es wieder genau so da, wie es jahrelang bei meinen Großeltern gestanden hatte, die Rufnummer, von meinem Großvater einst eigenhändig auf das papierne Etikett der Wählscheibe geschrieben, noch lesbar wie eh und je.

Wie oft ich diese Nummer gewählt habe! Wie wundervoll es war, wenn sich die edle, gütige Stimme meines Großvaters oder die etwas resolutere und doch immer liebevolle meiner Großmutter meldete und ich alles sagen, alles fragen konnte, was mir auf dem kindlichen Herzen lag, Besuche vereinbaren, Neuigkeiten austauschen oder mich einfach nur versichern durfte, daß es ihnen gut ging und sie immer noch (für mich) da waren. Es war dieser Hörer, den sie dabei in der Hand hielten, diese Muschel, in die sie sprachen, wenn ihre Stimmen, ihre Weisheiten und ihre Güte an mein Ohr drangen.

Sie fehlen mir unendlich, meine Großeltern, die nun schon gute 20 Jahre tot sind - besonders an Weihnachten, diesem für meine Familie so bedeutsamen, gefühlsinnnigen Fest. Was gäbe ich drum, wenn ich den Hörer aufnehmen und noch einmal mit ihnen sprechen könnte! Wie gern würde ich ihnen erzählen, wie es mir ergangen ist seit ihrem Dahinscheiden, was ich erlebt und gelernt, erlitten und errungen habe. Und wieviel schwerer das alles ohne sie war.

Nun steht ihr Telefon bei mir, abgekabelt, stumm, funktionslos, und doch deutlich versinnbildlichend, wofür es einst angeschafft wurde: Austausch, Gespräch, Nähe und Teilnahme, Liebe und Zusammenhalt. Diese Werte habe ich ganz besonders von meinen Großeltern gelernt, und kein Tod, keine Zeit und kein Vergehen kann sie mir nehmen. Sie sind, verdichtet in einem alten Telefon, mein schönstes Weihnachtsgeschenk!