Mittwoch, 20. Mai 2015

Ausgerechnet Ampeln

Sie geistern durch unseren Alltag wie unerlöste Seelen, spuken in Parlamentsdebatten und Pressemeldungen herum, rasseln in Gleichstellungsausschüssen und Forschungsgruppen dringlich mit ihren ach so schweren Ketten und heulen sphärisch über Stammtischen und Vorträgen - die sogenannten Gender-Themen. Eine soziokulturelle Theorie mit politischem Impetus, die seit ihrer Erfindung weder Tatsachen noch Forschungsergebnisse bestätigen können, schickt sich an, zum ewig wiedergängigen Gespenst im täglichen Reigen unserer Gespräche, Meinungen und Probleme zu werden.

Bislang mochte man diesem Unfug mit Gelassenheit begegnen - er gehört zur Freiheit, und über die geht nichts, auch wenn's ein paar Steuergelder kostet. Zumindest spielte er sich irgendwo ab, wo man in aller Regel nicht allzu sehr damit behelligt wurde. Nun aber schwingt er sich zur Allgegenwart auf, zur ubiquitären Unausweichlichkeit, aufdringlich, belehrend, erzwingend, und damit einen Reflex bei mir auslösend, der mein durch und durch liberales Wesen seine eigene Freiheit behaupten läßt - die Freiheit nämlich, ganz viel von dem, was Menschen so tun, nicht wahrzunehmen. Macht, was ihr wollt, aber haltet mich raus, möchte ich sagen. Der übergewichtige Landtagsabgeordnete mag sich am Wochenende gern in Lederriemen einschnüren und ausschimpfen lassen, und dem Steuerberater mag es gefallen, in Windeln auf dem Boden herumzukrabbeln. Aber: Ich! Will! Es! Nicht! Wissen!! Nicht aus moralischen Gründen, sondern aus ästhetischen.

Denn ich kenne keine sexuelle Moral außer der, daß alle Beteiligten einverstanden sein und Freude an dem haben sollten, was geschieht, und daß niemandem Leid zugefügt werden darf, der darüber nicht selbst entscheiden kann. Alles andere interessiert mich einfach nicht! Viel mehr als das, was in die relativ konventionellen Grenzen meines eigenen sexuellen Lebensentwurfs gehört, muß ich nicht sehen. Gewiß, das schwule Pärchen auf der Kärntnerstraße macht mich lächeln, weil ich mich immer über glückliche Liebe freue, und darüber, daß sie nun endlich ganz selbstverständlich Hand in Hand herumspazieren können, und auch aus dem Café Prückel wäre ich sicher nicht empört hinausgerannt, nur weil dort zwei Mädchen knutschten. Ich war auch schon auf dem Life Ball und fand es klasse. Kurz: Ich mag die freie, offene Gesellschaft. Aber ich muß sie mir nicht immerzu in allen Facetten bewußt machen.

Und nun kommen die Ampelmännchen, -weibchen, -pärchen. Denn der Gesellschaft, also uns, muß Toleranz beigebracht werden - Verzeihung, nicht Toleranz, denn die ist ja neuerdings böse, weil sie nur "Duldung" bedeutet! Toleranz ist das neue Nazi. Akzeptanz sollen wir lernen! Annahme! Und zwar durch Dauerbedröhnung, so als ob immerzu jemand neben mir steht, der mir pausenlos den Ellenbogen in die Rippen stößt und sagt: Kuck ma, zwei Männer! Schau da, zwei Frauen! Und dort - Transen! Findste gut, ne? Ist doch echt O.K., oder? Du akzeptierst das doch, gell? Und weil Ampelmenschlein nun mal so ziemlich jeden erreichen, halten sich nun bald an jeder Kreuzung wahlweise zwei Weibchen, zwei Männchen, ein Männchen und ein Weibchen und überhaupt alles, was sich in Liebe berufen fühlt, lehrreich an der Hand.

Ist doch niedlich, mag man sagen. Ja. Aber nein. Denn eine solche Maßnahme macht die sexuelle Orientierung zum permanenten Thema, zum unvermeidbaren, schrillen Geplärr, dem man sich nicht mehr entziehen kann, auch wenn es einen noch so wenig kratzt. Es haut einem das gefälligst zu Tolerierende, Verzeihung, das zu Akzeptierende in nimmermüder Dauerschleife und sprichwörtlich an jeder Ecke um die Ohren, und wer's nicht super findet, ist der Böse, als sei liberale Gleichgültigkeit bereits eine homophobe Kampfansage und als bestimme allein dieses Detail unseres Lebens über Frieden, Freiheit, Menschlichkeit und Gleichberechtigung. Tut es aber nicht. An der Vermutung, die Welt werde ganz prima, wenn nur endlich alle mit allen ficken, sind bereits die Hippies gescheitert.

Und deshalb nerven mich die Ampeldinger. Sie sind (Wortspielalarm!) Verkehrzeichen - ja. Aber für den STRASSENverkehr. Sie sollen ein Regelwerk abbilden und die Unfallgefahr minimieren. Dafür sollten sie neutral und von jedem weiteren Aussagegehalt frei gehalten werden. Nun aber werden sie zur moralischen Werbefläche und zwingen mich zur ständigen Wahrnehmung eines Themas, das für mich mit Intimität, mit Privatsphäre und Persönlichkeitsrecht zu tun hat, mit dem süßen Geheimnis von Lust und Liebe, das den Rest der Welt ausschließt. Die klotzige Omnipräsenz, die man dieser wunderbaren, zarten Sache nun gibt, entwürdigt sie, bedrängt mich ästhetisch und ist in ihrer pädagogischen Reduktion des Menschen auf seine intimen Vorlieben sehr viel sexistischer als meine Freiheit, Dinge nicht wahrzunehmen und jedem Tierchen einfach sein Pläsierchen zu lassen.

Montag, 18. Mai 2015

Liebesebbe, Liebesflut

Du liebst, sagst Du. Immer noch. So gültig wie damals. Sagst Du.

Damals liebtest Du, das weiß ich. Wie eine Flut umgab uns diese Liebe, kraftvoll, tief, dunkel, lebenspendend, und wir zappelten darin wie zwei glückliche Fischlein. Sie riß uns empor, diese Liebesflut, drückte uns nieder, trieb uns auseinander und zwang uns wieder zusammen. Sie bewegte uns, und wir ließen uns treiben, schwammen miteinander und jauchzten bei jeder mächtigen Welle, die uns fortriß, so stumm, so innig wie nur glückliche Fischlein jauchzen können. Mich ließ sie taumeln in einem Meer von Glück, diese Liebesflut. Ich hatte keine Kraft dagegenzusetzen, keine Macht, sie aufzuhalten oder zu bewegen in eine mir genehme Richtung. Sie war einfach da, die Flut, und ich darin. Mit Dir. Du jedoch beherrschtest sie. Du konntest sie lenken, anschwellen lassen und zurückziehen. Aber das wußte ich damals nicht. Damals, als wir glücklich jauchzend darin taumelten.

Dann straftest Du mich; wofür, weiß ich nicht. Du zogst die Flut unserer Liebe ab vom heimeligen Grund unseres Meeres, saugtest sie weg von mir mit jener Macht, von der ich nichts gewußt hatte, nahmst sie mit zu unerreichbaren Horizonten und schwammst davon. Du ließt mich in der Ebbe zappeln – nicht mal auf dem Trockenen! Da wäre ich wenigstens alsbald gestorben. Sondern auf nassem, kalten Schlick, der immer noch durchtränkt war von dem, was wir hatten, mich immer noch schnappen ließ nach der Liebesflut, die ihn einst bespülte... und doch zum Jauchzen, zum Atmen, zum Leben nichts mehr hergab.

Ich sterbe nicht und lebe nicht. Immer, wenn die Liebesebbe mich auszutrocknen drohte, sandtest Du eine Welle, eine Springflut, die mich kurz durchatmen, schwimmen, hoffen ließ... und tausendfach glitzerte das Licht auf ihren Wogen, so wie ich es kannte mit Dir. Doch kaum, daß ich eine Richtung darin zu suchen begann, zu Dir, zu uns, zu jenen Horizonten, zu denen Du allein aufgebrochen warst, damals, als Du die Flut mit Dir nahmst... zogst Du sie wieder ab. Schicktest wieder Liebesebbe und ließt mich neuerlich trocknen, zappeln, sterben. So machst Du es bis heute, und ich weiß nicht, warum.

Du liebst, sagst Du. Immer noch. So gültig wie damals. Sagst Du.

Mag sein, daß Dich die Flut umspült wie damals. Dich emporreißt und niederdrückt, hier hin und dahin treibt. Denn Du hast sie ja mitgenommen, die Liebesflut, die Du beherrschst mit jener Macht, von der ich nichts wußte. Und mich daraus verbannt. In die Ebbe.

Da liege ich nun und schnappe.