Samstag, 2. September 2023

Was darf man denn noch sagen...?

Was man denn eigentlich noch sagen dürfe, ist eine derzeit vielgestellte Frage. Die Regeln für "korrekte" Ausdrucks- und Verhaltensweisen werden immer komplexer und scheinen sich zudem ständig zu ändern. Besonders gilt das für den Umgang zwischen Männern und Frauen. 

Es ist eine vertrackte Situation. Kultur und Natur geraten heutzutage in Konflikt. 

In der Natur des Menschen liegt nun mal, wie bei allen höheren Tieren, die Arterhaltung per Paarung. Dieses Konzept beruht auf einer grundsätzlichen binären Geschlechterverteilung. Dem Männchen obliegt meist die Rolle des Werbers, dem Weibchen die der Entscheiderin. Ob es uns gefällt oder nicht - diese Rollenverteilung prägt das Verhältnis der Geschlechter bis heute - nicht ausnahmslos, aber eben im Grundsatz. 

Früher spiegelte die soziokulturelle Ordnung genau diese Aufteilung. Heute kommt jedoch ein kulturelles Paradigma hinzu, das Männer und Frauen gleichstellt (was gut ist!) und diese Gleichstellung als Negation aller Unterschiede definiert (was zumindest fragwürdig erscheint). Damit wird jedoch der Umgang schwieriger, weil Elemente des Paarungsverhaltens tabuisiert werden. Kulturell wird eine Neutralität, eine Blindheit verordnet, die der Natur so nicht gegeben ist. 

Man verstehe mich nicht falsch: In vielen Kontexten ist das absolut wünschenswert und dringend geboten! Im beruflichen Umfeld etwa haben ungebetene Paarungsrituale nichts verloren, und überhaupt sollte jede Annäherung stets beiderseits gewollt und genehmigt sein. Klar ist aber auch, daß die damit einhergehende Verunsicherung, was denn nun natürlich gegeben und was kulturell verpönt ist, steigt. Und also halten sich Männer in gemischten Gruppen an das kulturelle Paradigma und geben in ihren Gesprächen unter sich dann halt auch mal der Natur nach. Und Frauen machen es vermutlich ebenso. 

Nur eine Analyse - keine Wertung. Man mag sich empören, daß bereits mein geschlechterbinäres Axiom falsch und skandalös und politisch unkorrekt und sozial konstruiert sei. Ich werde damit zu leben wissen und mich auf diese Diskussion, die ich für psychotisch halte, nicht einlassen. Aber letztlich erlebt man doch im Kern kaum etwas anderes als Balzverhalten, als den Versuch, das bunte Gefieder zu spreitzen und sich möglichst attraktiv zu machen. Dem ehrgeizigen Karrierestreben liegt (zumindest bei vielen Männern) allzu oft der Drang zugrunde, durch Macht, Erfolg und Ansehen andere Männchen zu übertrumpfen. Frauen mögen indes den Männern zeigen, daß sie das natürliche Machtgefälle von weiblich zu männlich (denn die Entscheiderin hat immer die Macht) auch im sozialen und professionellen Kontext beizubehalten vermögen. 

Die Natur ist eben doch in uns allen, so kultiviert und professionell sie sich auch inszenieren mag. Und so läuft denn doch alles auf ein in seiner Motivation recht schlichtes Beeindrucken, Gefallen und Überzeugen hinaus...

"Riesen-Ego, der Typ - echt geil!"

Es gibt Begriffe, die meinen Widerstand erregen. Wörter wie "Gewinner", "Erfgstyp" oder eben "Riesen-Ego". Denn sie beschreiben oftmals nichts anderes als Menschen, die ausschließlich auf ihren Vorteil, ihr Weiterkommen fokussiert sind. 

Was mich am meisten irritiert, ist, wie positiv diese Begriffe immer noch besetzt sind und wie fragwürdig wir offenbar Erfolg definieren. Mal abgesehen davon, daß meiner Erfahrung nach die besonders ehrgeizigen Zeitgenossen in Wirklichkeit gar kein großes, sondern ein eher kleines Ego haben, das sie durch gesellschaftlich anerkannte äußere Muster zu kompensieren versuchen, scheint mir der Egotrip, den sie dabei fahren, selten positiv. Zu wenig wird von solchen Menschen ans Gemeinwohl gedacht, in kohärenten, interdependenten Systemen, in Teams und Interessengemeinschaften, und zu sehr in brutaler Durchsetzung der eigenen Ziele. Und irgendwann hat man das, was oft als "toxic high-performer" beklagt wird. Rücksichtslosigkeit, auch wenn sie viel zu oft als (sehr vermeintliche) Stärke bewundert wird, sollte aber kein konstituierendes Merkmal dessen sein, was wir als Erfolg betrachten. 

Ich freue mich daher immer, wenn Menschen ihre Talente und Ambitionen in den Dienst eines höheren Ziels stellen, einer Gemeinschaft etwa oder eines Unternehmens, eines Teams und eines Kunden, oder eben der Gesellschaft an sich, und darin auch Förderung und Resonanz erfahren. Für solche positiven Erfahrungen bin ich dankbar, schaffen wir auf diese Weise doch genau die Grundlagen, die unsere Gesellschaft im Ganzen so nötig hat: Austausch, Verständnis, Respekt und Gemeinsamkeit! Diese Werte machen die Welt allemal besser als alle "Riesen-Egos" und "Gewinnertypen".