Dienstag, 26. Mai 2020

Wunder a.D.

Es gibt Wunder, die hören auf. Quittieren sozusagen ihren Dienst – und das durchaus aus freien Stücken! Sie wollen nicht mehr wunderbar sein, kein beglücktes Sich-wundern mehr auslösen bei den sie verwundert Erlebenden. Solchen Wundern ist es nicht nur um das Ende ihrer Wundereigenschaftlichkeit zu tun, um ein Aufhören ihrer gestaltenden und wegbereitenden Macht, nein - überwältigt von der eigenen Unglaublichkeit möchten sie zugleich alles, was jemals wundervoll war an ihrem Wirken ungeschehen machen und aus jeder Erlebnisgeschichte tilgen. Sich selbst vergessen machen, das möchten sie. Und am liebsten den gesamten Glauben an Wunder per se gleich mit.

Doch ach, das muß fehlgehen! Denn so machtvoll das Wunder wirkt, solange es eben dieses bleibt, so unfaßbar sein Auftreten und seine Folgen, seine ganze schicksalsverbiegende Kraft dem überwältigten Zeugen erscheinen mögen, so schwach und hilflos ist das Wunder in seinem Willen, sich selbst nichtig zu machen. Und je mehr es sich leugnet, sein vielseits bezeugtes Wirken nachträglich zu bestreiten versucht und die wundertätigen Veränderungen des regulären Geschehens hin zum ganz und gar Unwahrscheinlichen verneint, desto deutlicher wird sein Einfluß, seine unwiderlegbare Echtheit und die auf ewig bestehende neue Wahrheit, die es geschaffen hat und nie mehr abschaffen kann.

So bleibt ihm nichts als ein ganz und gar wunderloses Dasein in der beklemmenden, nichtswürdigen Spalte zwischen unleugbarer, lebensvoller Wirkungsmacht und gewaltigen, endgültigen Erreichungen auf der einen, der recht eigentlich wahren Seite, und dem verlogenen, murrenden Beharren auf dem eigenen Nie-dagewesen-sein andererseits, eine Spalte, die niemals Recht bekommen kann und also die Wahrheit nie restlos vom selbstzerstörerischen Wunschbild zu trennen und auszulöschen vermag. Die Enge dieser Spalte, dieser Zwischenexistenz bleibt ziel- und zwecklos, auch wenn sie sich mit allerhand unbefriedigenden Ersatzwirklichkeiten anfüllt, und muß am Ende alles zerdrücken, was das nicht mehr Wunder sein wollende Wunder so gern als neue Gültigkeit der Geschichte festgeschrieben hätte.

Das aber geht nicht. Wunder bleiben Wunder.

Samstag, 23. Mai 2020

Verfassungstag in Corona-Zeiten

23. Mai - Verfassungstag! Ich freue mich sehr über dieses Grundgesetz, das Deutschland zum einem der freiesten, sichersten und wohlhabendsten Länder der Welt macht. Aber das tumbe Gemotze, mit dem nun selbsternannte "Verfassungspatrioten" um ihrer Freizeit- und Konsumvergnügungen willen auf ihre (ohnehin kaum mehr eingeschränkten) Grundrechte pochen und meinen, sich ihrer individuellen Freiheit wegen über das allgemeine Wohl hinwegsetzen zu dürfen, bestürzt und verärgert mich. Dennoch: Frohen Verfassungstag und alles Gute, Deutschland!

Donnerstag, 21. Mai 2020

Vatertag

Ich gratuliere mir mal selbst zum Vatertag. Denn die Mutter meines Kindes käme nicht darauf. Sie hat ihre Mutterschaft zum Geschäftsmodell gemacht, schreibt Kinderbücher mit lustigen Lerngeschichten und erzählt ihrer ergebenen Filterblase mit Vorliebe von ihrem harten Alltag als Alleinerziehende. Einen Alltag, den sie durch das Beenden der damals noch bestehenden Beziehung freilich selbst gewählt hat, aber mit solchen Details wird das Publikum nicht behelligt.

Einen Vater gibt es in ihrem Narrativ folgerichtig nicht, schon gar keinen, der vom ersten Tag an mehr Unterhalt gezahlt hat als er mußte, sein Kind regelmäßig besucht, jede irgendnötige Hilfe gewährt und alle wichtigen Zusatzanschaffungen und -maßnahmen ermöglicht hat. Ohne Vaterschaftstest, übrigens, und ohne Eintrag in der Geburtsurkunde. Auf Treu und Glauben, sozusagen, obwohl beides über die Jahre durch mannigfaltige Demütigungen und unverfrorene Lügen immer wieder recht krass enttäuscht wurde.

Stattdessen bleibt die Vaterfigur nebulös; sie wird, wenn überhaupt, über vage Implikationen definiert. Implikationen, in denen nichts konkret wird, aber genug häßliche Charakterzüge und sehr viel Egoismus des Erzeugers erahnbar werden. Ein Hauch von Sitzenlassen schwingt da mit. Die - selbstverständlich von sehr viel Mitgefühl und solidarischer Anteilnahme des virtuellen Publikums begleitete und aufmerksam verfolgte - Scheinwirklichkeit ihrer Texte zeichnet das Bild einer tapferen, zarten und kreativen Frau, die ganz allein und ohne jede Hilfe unter widrigsten Umständen ihr Kind durchbringt. Nun ja, irgendwoher muß man sich ja ein Selbstbild zaubern und es validieren lassen.

Aber halt - ich will nicht ungerecht sein: Zweimal war ich doch Gegenstand ihrer Blogtexte. Verklausuliert als übelriechender, sich im heimischen Idyll von Mutter und Kind rücksichtslos breitmachender Mops, ein (natürlich) imaginärer Freund des Kindes. Ja, so geht wohl Dankbarkeit, Partnerschaft und Loyalität. Und doch mache ich weiter. Unbeirrt, unkränkbar, unerschütterlich.

Irgendwann macht sich meine Tochter gewiß ihr eigenes Bild.

Sonntag, 10. Mai 2020

Muttertag

Wenn irgendetwas mir im Leben
beständig Kraft und Sinn gegeben
und mich mit zarter Hand geführt,
mich fromm beseelt und inspiriert,
so war es meiner Mutter Liebe,
die mich im wirren Weltgetriebe
beschützte und behütete,
mich trug und mir vergütete,
was mir das Schicksal abverlangte,
und mit mir litt und mit mir bangte,
und die bis heute mich erfüllt,
mich wie ein starkes Kleid umhüllt
in guten und in schlechten Tagen,
in Siegen und in Niederlagen,
in Zweifelsnot und höchstem Glücke -
wie sich die bunten Lebensstücke
auch fügen, um ein Bild zu geben,
des bin ich mir gewiß Leben:
Hemmt meinen Weg auch Stock und Stein
und hält mich auf und macht mir Pein,
so wird doch nie mein Fuß mir wund
auf Deiner Liebe weichem Grund!