Wie professionell sind eigentlich Ängste? Wie geschäftlich sind Zweifel? Und wie sehr schadet es dem Ruf, über Schwäche und Überlastung zu sprechen?
In geschäftlichen Umgebungen oder bei LinkedIn geht es immer um Höchstleistungen, um Ziele, Strategien und Erfolge, um den nächsten Job und das höchste Ansehen. Von den dunklen Seiten des Dauervolldampfs bekommt man selten etwas mit.
In persönlichen Gesprächen, die ich mit Führungskräften und Leistungsträgern führe, entsteht jedoch oft ein anderes Bild. Menschen erzählen mir von ihren Grenzen, von Ausgelaugtheit und Zweifeln. Die Palette reicht vom einfachen Lampenfieber über Leistungsdruck und Versagensängste bis hin zu fundamentalen Sinnfragen.
Es geschieht etwas unter der Hochglanzfassade der optimierten Profile und Persönlichkeitsmarken. Eine schleichende Überforderung der Hochleistungskultur, die kein Scheitern akzeptiert und nur Erfolgsgeschichten hören will. Und es ist nicht gut für uns.
Was die Seele zerreißt, den Geist überspannt und das Herz erdrückt, kann so erstrebenswert doch wohl nicht sein. Was Umsatz und Wachstum auf Kosten der mentalen und körperlichen Gesundheit schafft, ist eine kritische Betrachtung wert. Gewiß, Wirtschaft ist wichtig für Wohlstand und Sicherheit - davon ist derzeit viel die Rede im Wahlkampf. Aber sie darf den Menschen nicht auffressen.
Denn alles im Leben hat nun mal zwei Seiten. Leistung muß auch mal Tiefpunkte erleben dürfen. Erfolg muß das Scheitern zulassen. Motivation muß Raum für Frust lassen und Wachstum muß zeitweiligen Stillstand ertragen können. Und das alles nicht nur im Sinne einer halbherzigen, stirnrunzelnden Toleranz, sondern einer ergänzenden Gegensätzlichkeit, eines Zusammengehörens der beiden Teile, die einander wie Yin und Yang bedingen.
Erst, wenn wir es zulassen und sogar begrüßen, daß Menschen auch über Ängste sprechen, ohne als Versager oder Verlierer diffamiert zu werden, und wenn wir jenen helfen, die mit Zweifel, Schwäche, Frust und Panik zu kämpfen haben, können wir guten Gewissens unsere Erfolge feiern.