Freitag, 24. Juni 2011

Niemals

"Niemals!" sagte man mir neulich, "Um kein Geld der Welt!" Und damit war das Thema beendet, ein Thema freilich, das mich ohnehin nicht wirklich interessiert hat. Geärgert hat mich die Aussage trotzdem.

Denn es gibt ein paar Schlüsselwörter, die mich von jeher bis aufs Blut reizen und mit denen ich absolut nicht umgehen kann. "Niemals" gehört dazu. Genau wie "Du sollst" oder alles, was mit "dürfen" zu tun hat. Ich ertrage einfach die kategorische Begrenzung von Möglichkeiten nicht, und seien diese auch rein theoretisch. Mögliche Verläufe mit der kalten, starren Axt des unverrückbaren Prinzips abzuhacken und ihnen damit nicht nur als praktisches Geschehen, sondern sogar als gedankliches Konstrukt das Existenzrecht abzusprechen, erscheint mir wie ein grausames Gemetzel an allem, was denkbar ist, an der unendlichen Vielfalt von Möglichkeiten, von Ideen und Phantasien, aus der ja auch die Kunst, die Literatur ihre Inhalte schöpft...

Es ging mir schon als kleines Kind so - nicht ganz einfach für meine Eltern. Ich haßte von jeher Verbote, gleich, welchen Gegenstand sie betrafen. Und zwar nicht, weil ich alles, was mir verboten ward, tun wollte. Keinesfalls! Es leuchtete mir durchaus ein, daß manches besser nicht zu tun sei. Aber ich wollte nichts nicht dürfen. Was ich durfte, habe ich in der Regel ohnehin nicht getan; es hatte seinen Reiz allein darin, es tun zu dürfen. Die Umsetzung war, gemessen an der theoretischen Möglichkeit, fast banal und unwichtig. Aber verboten sein sollte nichts, und nichts sollte von vornherein, kategorisch und "um kein Geld der Welt" ausgeschlossen sein.

Das macht mich bis heute extrem unruhig. Ich empfinde es als äußerst arrogant, etwas derart absolut auszuschließen, maßt man sich damit doch an, all die tausend unberechenbaren Faktoren, alles Unerwartete und alles Überraschende, das dem Leben an sich und jeder einzelnen Situation immer wieder plötzlich eine völlig neue Wendung geben kann, unfehlbar beurteilen zu können und von vornherein als undenkbar, nichtig und wertlos für die Gestaltung des Zukünftigen abzustempeln. Dergleichen erregt meinen instinktiven Widerstand und macht eine praktische Verbotsübertretung viel wahrscheinlicher als die Verwirklichung von etwas an sich Erlaubtem, einfach nur, um der gebannten Möglichkeit auf rebellische Weise doch noch ihr Recht zu geben.

Die Vielfalt der Möglichkeiten, die Pluralität des Denkbaren, so glaube ich, ist es doch letztlich, die das Leben reizvoll und einigermaßen lebenswert macht. Nicht nur, aber auch.