Ein literarisches Perpetuum Mobile
Der Literat betritt das Kaffeehaus. An der Schlange brav wartender Touristen vorbeidrängend hat er sich mit ausladender Geste Einlaß verschafft und meint nun, ein Raunen durch die Säulenhalle gehen zu hören, aber das füllt wohl eher das Gewölbe seines Schädels als den tatsächlichen Raum.
Vollends durchdrungen vom Gefühl der Wichtigkeit wird er, als der Oberkellner eilfertig auf ihn zukommt, ihn namentlich begrüßt (schließlich ist der Literat seit acht Jahren Stammgast des altehrwürdigen Hauses, da wird man auch ohne nennenswertes Oevre erkannt) und ihm unter allerhand Artigkeiten ein Plätzchen im überfüllten Saale zuweist.
Der Literat läßt sich nieder, nein, er läßt sich herab auf das Niveau der rotgemusterten Sitzbank, an die er den runden Tisch heranzieht mit einem Blick in die Umgebung, der sagen soll: "Ihr wißt schon, was jetzt geschieht. Es waltet der Genius!" Aber niemand schaut.
Dann zieht er sein Notizbuch aus der Tasche und sein Schreibgerät - ein sehr teures Schreibgerät. Denn der Literat lebt ja vom Schreiben, und da hält man, bitteschön, auf sein Gerät. Er öffnet sein leinenbezogenes Notizbuch, räuspert sich. Aber nichts kommt. Kein treffendes Wort durchzuckt seinen Geist, keine große Idee entlädt sich aufs jungfräuliche Papier. Recht schlaff und untätig liegt das teure Schreibgerät in seiner Hand.
Und also, damit seine augenblickliche Schwäche (eine kleine Verstimmung schlimmstenfalls; er hat nicht recht wohl geruht die Nacht, und auch der Kaffe am Morgen hatte es an der wünschenswerten Qualität fehlen lassen) nicht jedem bemerklich werde, beschließt er, eben jene Situation in Worte zu fassen, in der er sich gerade befindet. Und er schreibt den ersten Satz:
Der Literat betritt das Kaffeehaus. (usw.)