Dem Sande
Es wird Abend. Ich verriegele die Tür, schließe alle Fenster. Draußen rauscht das Meer; ich kann es nicht mehr ertragen. Die Flut setzt ein, vulgär, eintönig, eine dumme Wiederholung des ewig Gleichen. Ich gehe nach oben, lege mich ins Bett. Aber immer noch rauscht es, schwillt, steigt. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und sehe es trotzdem: wie es gierig über den Strand herfällt, triebhaft und selbstsüchtig, über jenen geliebten weichen Sand, der mich noch vor Stunden warm und trocken bettete, meine Spur aufnahm und mich zärtlich einlud zu ruhen, mich sicher zu fühlen und für immer zu bleiben.
Es rauscht. Geistlose Wellen rollen sich auf den Sand, nehmen ihn ganz für sich in Anspruch, durchfeuchten ihn besitzergreifend und machen ihn hart und kühl. Ich sehe meinen Sand, wie er sich dem Drängen ergibt, sich teilnahmslos wegziehen läßt in die düstere Tiefe aus Schmutz und Versprechungen, wie die Wellen unsere Spuren verwischen und nichts bleibt vom Tage. Die dumme Macht der Flut treibt mir Wunden ins Herz, wütende Tränen in die Augen. Nichts Warmes und Weiches ist darin. Nichts Liebevolles. Nur Sturheit und Eigensinn und Zigarettenstummel. Ich will das nicht hören. Aber es rauscht. Es rauscht.
Schlafen kann ich nicht, wissend, was draußen geschieht. Ich gehe die Stiege hinunter. Ein Tee wäre gut. Unter meinen Füßen knirscht ein wenig Sand. Nicht weich. Nicht warm. Ein paar einzelne Körnchen, die ich mit hereingeschleppt habe, Erinnerungen, die langsam den Boden zerstören, auf dem ich gehe. Schleifend, reibend, scharf und kalt. „Mein Sand…“ seufze ich. Kurz überpfeift der Teekessel das Meer. Aus dem Becher dampft es warm. Aber das Rauschen ist stärker. Es bleibt in meinem Kopf, bis der Morgen graut.