Ein Silvestergedanke
Klar - ich find's auch irgendwie lässig zu sagen, wir leben jetzt in den 20ern! Sieht man mir, glaube ich, an.
Aber so sehr der Gedanke an jenes Jahrzehnt bei uns Bilder von schmucken Kavalieren in Frack und Zylinder und schlanken Mädchen mit breiten Stirnbändern und langen Perlenketten weckt, die unverblümt rauchen und zu heißen Charleston-Rhythmen tanzen, so sehr wir an das wilde Berlin von Klaus und Erika Mann denken und uns darin gefallen, diese Zeit auf Gatsby-Partys idealisierend aufleben zu lassen, so sehr sollten uns auch - ohne unmittelbare historische Vergleichbarkeit - die Gefahren und Fehler jener Epoche, die Radikalisierung der Gesellschaft und der Haß auf alles Andersartige, der in die Katastrophe führte, dazu inspirieren, uns den immensen Herausforderungen zu stellen, die unsere 20er Jahre prägen werden.
Der Weltfrieden scheint zuweilen ähnlich bedroht wie das Klima, und die Freiheit, deren rauschender Ausdruck das Lebensgefühl der Goldenen 20er unter Gustav Stresemann sein mag, ist ein Gut, das es wachsam zu schützen und zu verteidigen gilt. Die gleichen Jahreszahlen, die selben Nationalfarben....
Die Reminiszenz an die Ästhetik und das provokante, ausgelassene Lebensgefühl dieser Zeit macht Spaß - das ist ganz in Ordnung! Sehen wir zu, daß unsere 20er zu besseren 30ern führen als die des letzten Jahrhunderts!