Sonntag, 17. Januar 2021

Stunde der Patrioten

Ihr seid verärgert. Frustriert. Besorgt und wütend. Das verstehe ich. Die Welt ist komplex und unberechenbar, und oft genug läßt sie uns mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück. Dazu Corona. Das Leben, der Alltag und die persönlichen Freiheiten sind eingeschränkt. Viele von Euch bangen um ihre wirtschaftliche Existenz und schultern erhebliche Belastungen durch Heimarbeit und Fernunterricht. Und ja, der Schlingerkurs der Regierung ist dabei ebenso unbefriedigend wie ihre undifferenzierten und oft genug konzept- und einfallslosen Maßnahmen. Ganz klar, daß man da Sorgen hat und sich wünscht, es sei endlich vorbei. Vielleicht sogar nur ein böser Traum und eigentlich gar nicht wahr. 

Und deshalb geht Ihr demonstrieren, füllt Straßen und Plätze, um dem Frust, den Sorgen und der Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Auch das verstehe ich irgendwie. Aber Ihr tut es ohne Masken, ohne Abstände. Dafür mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und Transparenten, die von Corona-Diktatur sprechen, von Widerstand und Grundrechten und Freiheit. Und plötzlich fühlt Ihr Euch wieder stark statt hilflos, aktiv statt nur ausgeliefert, bestätigt statt verzweifelt. Ihr werft mit Beleidigungen um Euch, von denen „Schlafschaf“ noch die harmloseste ist, und bombardiert mich mit obskuren YouTube-Links, auf denen fragwürdige Autoritäten wahlweise erklären, warum Corona entweder nicht mehr als ein Schnupfen oder aber die teuflische Erfindung bluttrinkender Eliten ist. Die Gemeinschaft, der Zusammenhalt, der sich auf Euer Bedürfnis gründet, etwas zu gelten und Eure Geschicke wieder selbst zu lenken, schlauer zu sein als alles, was die Medien oder die Regierung oder das RKI oder der Maske tragende Nachbar sagen... das tut ohne Zweifel gut. 

Hier tue ich mich schwer mit meinem Verständnis, ja. Und schon gar nicht leuchtet mir ein, was an derart verdrehten Ansichten „patriotisch“ sein soll. Denn Patriotismus sollte doch die Liebe zum Vaterland sein, und damit die Liebe zur Gemeinschaft all derer, die in diesem Land leben und es gestalten, betreiben und nach vorne bringen. Die Liebe zu den Menschen, die die Gesellschaft bilden, in der wir gemeinsam leben. 

Jetzt wäre also die Gelegenheit, wahren Patriotismus zu zeigen! Indem wir nämlich als Gemeinschaft zusammenstehen und uns gegenseitig schützen, damit wir die elendige Pandemie endlich besiegen. Ja, das erfordert Disziplin, Kraft, Selbstlosigkeit, Einfallsreichtum und Organisation – alles Tugenden, für die wir Deutsche mal weltbekannt waren! Und heute? Fangen wir wirklich an zu zetern wie die zornigen Kinder, nur weil wir mal ein Jahr lang nicht mit Freunden ins Restaurant gehen können oder im Supermarkt eine kleine Maske vorm Gesicht tragen sollen? Sind wir wirklich so sinnentleert, daß ein Jahr ohne Fernreisen und Clubbing-Nächte uns in der Substanz unseres Lebens bedroht? Haben wir tatsächlich soviel Anstand, Mut und Gemeinsinn verloren, daß wir uns lieber eine wirre Scheinrealität schaffen, anstatt verdammt noch mal zu tun, was immer wir können, um aufeinander aufzupassen und uns der gewaltigen Herausforderung zu stellen, die nur gemeinsam bewältigt werden kann? Nein! Selbstverständlich können wir das. Deutscher zu sein – das wurde einst mit Qualität, Effizienz und Disziplin assoziiert. Und so gehört es sich auch. 

Dies ist die Stunde der Patrioten. Seid da für unser Land. Tragt die dämliche Maske, auch wenn sie nervt und lästig ist. Steht ein für unsere Alten, unsere Schwachen, unsere Bedürftigen, die Ihr schützen und retten könnt. Unterstützt die Helden, die in unseren Krankenhäusern, unseren Pflegeheimen und in unserer Forschung jeden Tag Übermenschliches vollbringen, um uns gesund zu halten. Laßt uns diese Pandemie endlich besiegen, als Patrioten, als Deutsche, als Europäer, als Bürger eines Landes, auf das man mit Stolz schauen kann, und von dem die Welt vielleicht eines Tages sagt: Schau an, die haben das gut hinbekommen. 

Typisch deutsch halt.