Montag, 17. Februar 2025

Demokratie braucht keine Disruption!

Könnten wir bitte ein wenig auf unsere Sprache achten? Und ich meine nicht nur die verrohten Wahlkampfpoltereien oder die besonders grellen, widerwärtigen Begriffe wie Remigration, sondern die subtilere, schleichende Brutalisierung der Sprache in Politik, im Alltag und in der Unternehmenskommunikation, die wir gern übersehen und sogar mitmachen.

Ein Beispiel: "disruptiv" – ein Begriff, der sich sukzessive ins Positive verdreht hat. "Disruptiv" wird heute mit entschlossenem, rücksichtslos-genialischem Handeln und besonderer Durchsetzungsstärke konnotiert. Die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes disrumpere ist aber zerstören, zerreißen.
Mir ist schon klar, wie das Wort gemeint ist und verwendet wird: nämlich im Sinne von neuen Geschäftsmodellen und Ideen, die das Alte, Bestehende radikal in Frage stellen. Was ja im Grunde auch gut und richtig ist. 

Aber wie wir Dinge benennen, sagt eben auch etwas über unsere mentale Verfassung aus, und wenn sich viele Menschen von der Disruption à la Musk angezogen fühlen, dann offenbart das eine uralte Psychodynamik. Denn die Revolution, die lustvolle Zerstörung dessen, was einen nicht mehr befriedigt, das Chaos und die Umkehrung aller Werte sind natürlich einfacher als der kontinuierliche Verbesserungsprozess, die mühsame, reformatorische Arbeit am Vorhandenen. Die Disruption bedient atavistische Triebe und schafft schnelle Befriedigung, die tatsächlich ein rein hormonell getriebener Rauschzustand ist, derselbe übrigens, der Rassisten und religiösen Eiferern dieses besoffene Gefühl von Kontrolle und Überlegenheit gibt, wenn sie Menschen beleidigen, angreifen und ausgrenzen: 
Erst mal das Machtgefühl, die Zerstörungswut, der Blutrausch - und dann sehen schon weiter.

Natürlich ist ein solcher Ansatz niemals gut für die Menschen – die brutalen Revolutionen der Weltgeschichte haben das gezeigt. Und so groß die Verlockung ist, erst mal kaputt zu machen, was einen angeblich kaputt macht, so sehr braucht es hier dringender denn je Besonnenheit und Impulskontrolle, einen validen Plan und vor allem eine sensible, inklusive Kommunikation.

Trump, Musk und Vance bieten nichts davon an, Putin sowieso nicht und die Rechtsextremisten, ob sie laut grölen oder nur maliziös lächeln, schon gar nicht. Alle betreiben sie nur zynische Machtspiele, und dafür spalten und hetzen sie Menschen gegeneinander auf und achten nicht der Opfer, die dieses Verhalten fordert – nicht von ihnen natürlich, sondern immer von anderen.

Laßt uns besser sein. Wir sind Europa, und für uns steht gerade alles auf dem Spiel. Alle Errungenschaften, alle Freiheiten, die Einheit, der Frieden und der Wohlstand. 
Aber wir sind Europa! Ein mächtiger Markt mit herausragenden Menschen und weit unterschätzten Möglichkeiten. Besinnen wir uns darauf und halten wir der Disruption neue Ideen, zukunftsfähige Pläne und unverbrüchliche Werte entgegen! Denn Demokratie braucht keine Disruption. Sie braucht leidenschaftliche Verteidiger, kritische Revision, beherzte Reformen, beharrliche Arbeit und echte Visionen. 

P.S.: Geht wählen!

Sonntag, 16. Februar 2025

1932 - kann ich auch!

Gut, spielen wir 1932. Die Rechtsextremen unserer Zeit und viel zu viele Populisten klingen eh schon fast wie damals. In Ordnung, ich mache mit!

Aber eben nur äußerlich. Die Ästhetik der 30er ist zugegebenermaßen mein unangefochtener Lieblingsstil - Kleidung, Autos und Design, das alles war unübertroffen schön. Politisch-inhaltlich hingegen ist an dieser Zeit nicht viel Vorbildhaftes zu finden - nicht die brutale Rhetorik, nicht die Gewalt auf der Straße, nicht die Aufwiegelung und Spaltung, nicht die Zerfaserung der Parteienlandschaft, nicht das naive "Laßt ihn erst mal machen, er wird sich schon selbst entzaubern!" und nicht das Versagen der demokratisch-republikanischen Kräfte, die Katastrophe entschlossen zu verhindern.*

Nein, der Wahlkampf von 1932 sollte uns insoweit kein Vorbild sein, und jeder, der sich gerade um ein politisches Amt bewirbt, sollte sehr genau darauf achten, was er wie sagt und mit wem er Kompromisse oder gar Bündnisse einzugehen bereit ist. 

1932 war äußerlich schön anzusehen - ich wünschte, mehr Menschen würden sich mit so viel Stil kleiden wie damals. Aber noch inniger wünsche ich mir, daß ganz, ganz viele Menschen sich hinter die Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2025 stellen und ihre freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Extremisten und Demagogen verteidigen. 

Am 23. Februar haben wir alle die Chance dazu.


*Ja, ich weiß - auch damals gab es anständige und aufrechte Demokraten, die dafür sogar zum Teil verfolgt und ermordet wurden! Diese Haltung ist selbstverständlich auch heute vorbildlich! Aber das ist hier nicht mein Punkt; letztlich ist die Weimarer Republik am fehlenden Rückhalt des Volkes und fundamentalen Vorbehalten gegen die Demokratie gescheitert - weil man sie halt nicht kannte. Wir hingegen haben eine starke demokratische Basis und Tradition - damit sind wir stärker als jene Kräfte, die auch heute wieder mit gezielten Ätzereien gegen die Medien und Institutionen das Vertrauen in die Republik untergraben wollen, und können die Geschichte diesmal anders verlaufen lassen!

Samstag, 8. Februar 2025

Anstand gewinnt!

Als "muffig" bezeichnet The Pioneer den Begriff Anstand. Ausgerechnet "mein" Schlüsselwort! Je nun. Wenn ich mich in der wahlkampferhitzten politischen Kommumikation so umschaue, begegnet mir deutlich Angestaubteres.

- Unsägliche Entwürfe zur Rolle der Frau.
- Wirre Vorstellungen von der Reinheit des Volkes.
- Atavistische Abwehrreflexe gegen alles Fremde.
- Bizarre Ideen zur Zukunft der Energieversorgung.
- Rückwärtsgewandte Wirtschaftsnostalgie.
- Weltferne Transformationsverweigerung.
- Primatenhafte Gegnerdresche.

Und was nicht noch alles. 

Nein, Anstand ist kein muffiger Begriff. Er ist ein zeitloser Wert, der niemals unmodern wird und nichts anderes bedeutet, als niemanden zu verletzen, niemandem zu schaden, niemandem Anlaß zu geben, sich schlecht zu fühlen, und in allem, was man tut oder läßt, die Folgen für andere Menschen mitzudenken und so gut es geht zum Wohle aller zu handeln. Kurz: Einfach kein egozentrisches Ar****och zu sein.
Ist derzeit vielleicht nicht der Megatrend, aber deshalb noch lange nicht muffig. 

Denn am Ende gilt: #anstandgewinnt.