Ein Facebook-Posting
Ein beliebtes Argument dafür, gegen irgendjemanden zu sein, ist immer wieder die angebliche Bedrohung der eigenen Identität. Was man ist und zu allen Zeiten war, wird offenbar als zu schwach empfunden, sich auch neuen Menschen und Impulsen gegenüber zu bewähren. Aber woher kommt dieses Schwächegefühl? Oder anders gefragt: Was ist so schwer am Deutschsein?
Ich persönlich finde Deutschsein super. Zugegeben – ich hatte es einerseits auch leicht, es zu lernen. In meiner Schule gab es vielleicht fünf „Ausländer“, und die waren hier geboren und sprachen ohne Akzent. „Überfremdung“ war (zu Recht) nur ein dummes Naziwort, aber kein aktuelles Thema; über Identitätsverlust hat man sich damals – in den 80ern – allenfalls insoweit Gedanken gemacht als alles „Deutsche“ verpönt und jedes Nationalgefühl politisch verdächtig war. Was das Deutschsein eben andererseits auch wieder schwer gemacht hat.
Heute sind wir weiter. Deutschland ist seit 25 Jahren wiedervereinigt – ein lässiges, angesehenes Land, weltoffen, pluralistisch, frei und mit einem (spätestens seit dem Sommermärchen) sehr entspannten Verhältnis zu sich selbst und zur eigenen Flagge. Dachte ich zumindest.
Denn mit der Entspanntheit scheint es vorbei zu sein. Wer heute Schwarz-Rot-Gold schwenkt, tut es meist mit bitterem Gesichtsausdruck und bösen Parolen auf den Lippen. Finde ich ätzend – ausgerechnet die Unentspannten, die Engstirnigen und Frustrierten beginnen, das Deutschsein für sich zu vereinnahmen und es nach ihren menschenverachtenden Maßstäben zu definieren. Und das gefällt mir gar nicht, einfach, weil ich nicht möchte, daß das Deutschsein zum dürren Strohhalm all derer verkommt, die sich schwach und unsicher fühlen und mit brutaler Haßrhetorik ihre Versagensängste überschreien. Jene Leute suchen das Deutschsein in einer allgemein verbindlichen Definition, einer kollektiven Wurzel all dessen, was jeder Einzelne daraus macht. Das aber ist unrealistisch, misanthropisch und gefährlich.
Das Deutschsein, das ich mir wünsche, funktioniert genau umgekehrt: nämlich als individuell gelebte und selbst bestimmte Zutat zum Gesamtbild der reifen und in sich gefestigten Persönlichkeit. Kurz: Deutsch ist, wer deutsch sein will, egal, welche Hautfarbe er hat, an welchem Gott er glaubt oder welchen Menschen er liebt. Deutsch ist heute eine unendliche Vielfalt von Merkmalen und Eigenarten, aus der sich jeder nach Neigung und Belieben aussuchen möge, was er seiner individuellen deutschen Identität hinzufügen oder was er zum Pool vielleicht sogar Neues beitragen möchte. Vorzuschreiben hat das niemand.
Wer sich aber von Neuem, Fremden per se bedroht fühlt, statt sich zu freuen, aus dem reichen Erbe des Deutschseins das weitergeben und vermitteln zu dürfen, was ihm besonders wertvoll und wichtig erscheint, kommt mir schwach und feige vor. Wer in unserer Zeit nicht auf entspannte, weltoffene und auch selbstironische Weise deutsch sein kann, sollte es lieber lassen. Bei Pegida mitzumarschieren ist jedenfalls etwa so deutsch, wie die Kreuzzüge christlich waren.
Mein Deutschsein geht anders und steht auch in Zeiten der Globalisierung und der Migration keine Sekunde in Frage – entspannt, gelassen und ein bißchen selbstironisch. Weil ich mir seiner sicher bin. Weil ich es super finde. Weil’s mir niemand wegnimmt und weil es wirklich ganz einfach ist.