Überall scheint sie um sich zu greifen, die Sehnsucht nach dem behüteten Leben, der Ordnung und den überschaubaren, verständlichen und einfachen Verhältnissen, in denen der Staat sich um alles kümmert und die Homogenität der Gesellschaft die Konflikte klein und privat hält. Besonders im Osten richtet sich der Blick oft träumerisch zurück in die Zeit der "DDR", in der es viele der nach 1990 und erstrecht heute bestehenden Probleme scheinbar nicht gab.
Doch dürfen wir nie vergessen, daß dieser Staat ein Unrechtsstaat war, der seine Bürger einsperrte, bespitzelte und verfolgte, der willkürlich und politischen Vorgaben folgend Recht sprach und eigene Meinungen bei Strafe verbot, wenn sie nicht im Sinne des Regimes waren; ein Staat, der das Land völlig heruntergewirtschaftet hat, die wunderschönen Städte verfallen ließ und die Menschen in billige Plattenbauten pferchte, während seine Repräsentanten schamlos ihre Privilegien genossen.
Heute ist der 56. Jahrestag des Mauerbaus, und so sehr auch ich die Sehnsucht nach Ordnung und Sicherheit verstehen kann, möchte ich in einem autoritären, menschenverachtenden Staat wie der "DDR" nicht leben müssen und bin dankbar für die friedliche Revolution von 1989. Wer der absoluten Regelungsmacht des Staates das Wort redet, weil ihn die Komplexität einer freien Gesellschaft überfordert, bahnt den Weg in die Tyrannei. Wer aus Protest und dem (oft genug sehr berechtigten!) Gefühl sozialer Ungerechtigkeit Parteien wählt, die auf Ausgrenzung und Haß bauen, bereitet Leid, Krieg und Elend vor.
Die Mauer ist gefallen, und wir dürfen sie nicht auferstehen lassen - nicht in unseren Köpfen, nicht in unseren Herzen und nicht innerhalb unserer Gesellschaft. Dafür sind - da herrscht hoffentlich Einigkeit - Recht und Freiheit zu wertvoll und zu groß. Wir müssen sie nicht opfern, um ihren Feinden zu trotzen, sondern ihre Grundsätze zum unverhandelbaren Maßstab dafür machen, wie wir leben wollen.