Endlich bin ich dazu gekommen, "Die Angstprediger", das neuste Buch von Liane Bednarz zu lesen, dessen Erscheinen nun schon eine Weile her ist, und zu dem also bereits viele kluge und umfassende Rezensionen verfaßt worden sind. Diesen zum Teil sehr gründlichen Würdigungen möchte ich nichts Redundantes hinzufügen, aber ein paar Eindrücke mag ich dennoch gern teilen.
In den "Angstpredigern" kuratiert Liane Bednarz eine Ausstellung. Eine Ausstellung von Bosheiten und Bissigkeiten, von verengten Weltbildern und bewußten Verkürzungen, von Hetze und übler Stimmungsmache, die sich immer tiefer in die gesellschaftliche Debatte hineinätzt und also mehr und mehr zur diskursiven Normalität wird. Die Fülle der Sammlung ist dabei ebenso beeindruckend wie die Akkuratesse ihrer Dokumentation: Die ganz häßlichen Exponate werden sorgfältig von den "nur" unschönen abgegrenzt, die einseitigen in ihrem Absolutheitsanspruch durch gekonnte Ergänzungen und Gegendarstellungen relativiert. Zugleich scheut sich Bednarz nie, auch valide Argumentationspunkte ihrer Gegner anzuerkennen und entsprechend zu kontextualisieren. Daraus entsteht ein ausgewogener, umfassender Gesamteindruck, der an keiner Stelle persönlich oder gar polemisch wird. Leider, möchte man fast ergänzen, den ein klein wenig Leidenschaft hätte dem sehr sachlichen Buch hier und da vielleicht ganz gut getan.
Diese Sachlichkeit ist dem Gegenstande freilich angemessen und macht die Autorin insoweit unangreifbar. Bednarz bemüht sich um eine nüchterne Bestandsaufnahme dessen, was an Ansichten, Ideen und Agenden im vielschichtig wabernden Ganzen der sogenannten "Neuen Rechten" kursiert, welche Verbindungen und gegenseitigen Einflüsse unter den Protagonisten und Medien der Szene bestehen und welche Kommunikationswege und Netzwerke genutzt werden. Nur ganz gelegentlich bringt sie persönliche Schlußfolgerungen in ihre Faktensammlung ein. Der Stil mag dabei etwas karg wirken; selten ist er wirklich unterhaltsam oder gar zum Schmunzeln, aber das war vermutlich auch nicht beabsichtigt. In den "Angstpredigern" geht es um nicht mehr und nicht weniger als ohne Zorn und Eifer aufzuzeigen, wie tief rechtes Gedankengut bereits in die Mitte der Gesellschaft eingesickert ist und durch wen und mit welcher Dynamik es sich verbreitet. Daß Bednarz dabei trotz aller Sachlichkeit nicht leidenschaftlos ist, belegt bereits die immense Arbeit und Sorgfalt, die sie auf dieses Buch verwendet hat und in der sichtbar wird, wie sehr ihr Aufklärung und Mahnung zur Herzenssache geworden ist.
In einer Kritik las ich, dem Buch fehle es an einem Lesefluß; es werde zu sehr zwischen Themen hin- und hergesprungen - ein Eindruck, den ich nicht ohne weiteres teile, dessen Entstehen mir indes nachvollziehbar erscheint. Ein geschmeidiges Dahingleiten stellt sich ob der Themenvielfalt in der Tat nicht ein, und wer erwartet, ein Thema führe reibungslos ins andere hinüber, wird wohl enttäuscht. Das ist jedoch weniger dem Fehlen von Ordnungsprinzipien oder einem mangelhaften Aufbau geschuldet als vielmehr der Natur des Gegenstandes: Wie in jeder komplexen Ausstellung, für die zunächst die Grundsatzentscheidung zu fällen ist, ob die Fülle an Material nach Personen, Themen oder rein zeitlich zu strukturieren sei und wie man die dadurch zwangsläufig entstehenden Lücken überbrückt bekommt, richtet sich der Blick auch in den "Angstpredigern" zunächst auf einen Aspekt, der umfassend beleuchtet und belegt wird, wandert dann einem weiteren Felde zu, um sich schließlich, wenn die Einzelthemen hinlänglich erläutert sind, den Zusammenhängen, den Verknüpfungen und Kausalitäten, den personellen und ideologischen Schnittmengen zuzuwenden. Immerhin behandelt das Buch die rechten (und nur sehr scheinbar christlichen) Positionen zum Euro, zur Sexualität, zum Islam, zur Moderne, zu Gender Studies, zur Kunst, zur Kirche und schließlich zu den Medien. Das sind eine Menge Punkte, die Bednarz gekonnt betrachtet, verknüpft und zu einem Muster rechtsideologischer Indoktrination verdichtet.
Und so stimmt eben beides: Einen Lesefluß gibt es insoweit nicht als man stetig neu ansetzt und Einzelheiten zu einem weiteren Thema erfährt, so wie man in einer tatsächlichen Ausstellung immer wieder neue Räume betritt; jedoch sorgen die profunden Analysen und Erklärungen für die nötigen Übergänge und Zusammenhänge, so daß man am Ende doch flüssig und ohne Brüche durch das Buch geführt wird.
"Die Angstprediger" ist ein wichtiges Buch, das die Breite der Themen und die Stoßrichtung rechter Programmatik auf beeindruckende Weise zusammenfaßt. Ob jedes Zitat geeignet ist, der zitierten Person genuin rechtes Denken zu bescheinigen bzw. konservatives Denken abzusprechen, mag dahinstehen; letztlich bedürfen auch Fakten der Interpretation und lassen Raum für individuelle, subjektive Auffassungen. Als Beitrag zur Gesamtschau der gegenwärtigen Bundesrepublik ist "Die Angstprediger" indes von höchstem Wert.