Sonntag, 30. Juni 2024

Einen Dreck regiert ihr!

In Essen ist AfD-Parteitag. Das bartlose Thüringer Männchen mit dem Oma-Gesicht betont, keinen Fußball zu schauen, einige Zuschauer bekennen auf ihren Leiberln ihre Loyalität zu einem feisten, korrupten Vaterlandsverräter, der Saal geilt sich an ethnischen Säuberungsphantasien auf und das blond gefärbte Doppelspitzchen faselt von Regierungsverantwortung.

Draußen vor der Halle überwiegt der Anstand - 70.000 demonstrieren gegen die Rechtsextremisten und zeigen die wahren Mehrheitsverhältnisse in diesem Deutschland.

Regieren wollt ihr Wichte, die ihr euren tumben Nationalismus so miserabel unglaubwürdig als Patriotismus zu verschleiern sucht, während ihr Deutschland schamlos an die verratet, die es zerstören wollen? Ihr geschichtsvergessenen Würstchen, die ihr keine Ahnung habt, wofür unsere wunderbare Flagge wirklich steht und das schwarz-rot-goldene Banner der Freiheit und Demokratie für euer ätzendes, hassvolles Geifern mißbraucht und damit schändet?

Einen Dreck regiert ihr. 
Nicht, solange wir so viel, viel mehr sind als ihr Giftspritzen.
Nicht, solange dieses Land frei und demokratisch und pluralistisch ist.
Nicht, solange unser nobles und ehrenwertes Grundgesetz gilt. Nicht, solange unsere großartige Nationalmannschaft genau so vielfältig und stark ist wie die Gesellschaft, in der wir leben.

Schwafelt weiter. Ihr werdet uns nicht überwinden.

Mittwoch, 19. Juni 2024

Verpaßte Chance

Eine Erinnerung

Ein Schwärmen und Schweben, 
Ein Klopfen und Beben, 
Ein Aufruhr im Herzen, 
Und wonnige Schmerzen, 
Ein süßes Behagen 
Im kribbelnden Magen, 
Ein ständiges Harren 
Und unruhiges Scharren, 
Zum Rechner getrieben, 
Ob Du mir geschrieben. 
Ein Glück, dann zu lesen, 
Was Dein schönes Wesen 
So klug mir zu sagen 
Hat, oder zu klagen... 

Die Sehnsucht, die Liebe, 
Die lustvollen Triebe, 
Das Spielen und Wollen, 
Das fragliche Sollen, 
Gedanken, Ideen, 
Der Wunsch, sich zu sehen, 
Die glückliche Segnung 
Der ersten Begegnung – 
Mit glühenden Sinnen 
Einander gewinnen, 
Versprechen zu halten, 
Nur halb zu entfalten, 
Was ganz noch zu werden, 
Nie schaffte auf Erden... 

Das Klammern, das Sehnen. 
Die zahllosen Tränen. 
Das Hoffen und Leiden, 
Dein deutliches Meiden... 

Das Damals – vergangen. 
Und doch noch gefangen. 
Das Falsche besteht nicht, 
Das Echte vergeht nicht.

So hat sich’s ergeben, 
So will ich es leben, 
Und wenn mir nichts bliebe 
Als daß ich Dich liebe.

Montag, 10. Juni 2024

Die Lust am rechten Rand

Das Ergebnis der Europa-Wahl ist zutiefst verstörend. Ein Erstarken rechtsradikaler Positionen in ganz Europa und ein immenser Erfolg der AfD bei den Unter-30-jährigen - das ist schwer zu fassen. Junge Menschen, die wie keine andere Generation vom Projekt Europa profitieren, favorisieren eine Partei, die es beenden will - ich bin sprachlos. Entgleitet uns die vielgelobte GenZ? Was macht den rechten Rand so attraktiv? Und ist die Mischung von Unbildung, Egozentrik und Social Media-Dauerbedröhnung vielleicht doch schädlicher für die Gesellschaft als irgendjemand zugeben will?

Klar ist, daß es gute Gründe gibt, mit der Regierung unzufrieden zu sein. Klar ist auch, daß die großen Probleme unserer Zeit, von Krieg über Migration und Pandemie bis zum Klimawandel, uns kognitiv und emotional überfordern und in vielen Menschen den Reflex auslösen, alles in Frage zu stellen und lieber einem radikalen Umbruch zuzustimmen als dem beharrlichen Lösen der komplexen Herausforderungen. Denn die Revolution gibt stets ein Gefühl der Selbstwirksamkeit, die als Gegenteil der Ohnmacht wahrgenommen und ersehnt wird.

Klar ist aber auch, daß die etablierte Politik in kommunikativer Hinsicht vollkommen versagt hat. Miserable Wahlplakate, selbstgefällige Talk Shows, lineares Fernsehen und ein Kanzler, der uns auf angeblich "hanseatisch-zurückhaltende" Art immer wieder im informationellen Nirgendwo hängen läßt - damit erreicht man junge Menschen nicht. Das immerhin hat die AfD verstanden und ohne Widerstand die Lufthoheit über die sozialen Netzwerke ergriffen. 

Das Wahlergebnis zeigt uns also auch: Um politische Inhalte geht es vielen Wählern kaum noch, sondern um Präsenz. Spitz gesagt: Die Menschen kaufen jeden Quatsch, solange er häufig genug aufpoppt.

Wie kriegen wir das in den Griff? Mit besserer, pragmatischerer, an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Politik, die nicht weltanschaulich agiert und ihre Energie mit Partikularinteressen verschwendet. Und ganz, ganz, ganz unbedingt mit klarerer, ehrlicherer, leidenschaftlicherer, verbindlicherer und viel besser kanalisierter Kommunikation, die die Menschen sowohl medial als auch emotional erreicht.

Aber das will halt gekonnt sein.