Freitag, 5. Juli 2024

Weißt Du noch...?

"Nostalgie", sagt mir neulich jemand, "ist für mich das sanfte Zurückblicken auf Augenblicke. Es ist eine emotionale Bindung an Zeiten oder Ereignisse, die in der Vergangenheit liegen und nicht mehr gegenwärtig sind."

Ich geb's zu: Ich bin ganz furchtbar nostalgisch. Aber diese Definition hat mich doch zum Nachdenken gebracht. Nein, als bloßes Zurückblicken habe ich meine Nostalgie nie empfunden. Für mich sickert mit dem Eintauchen ins Vergangene auch immer ein wenig Vergangenes in die Gegenwart ein und gibt mir Gelegenheit, das, was ist, zu messen an dem, was war. Und wo es lohnend sein kann, Verlorenes wiederzugewinnen.

Vielleicht liegt das daran, daß ich Zeit nie streng linear wahrzunehmen imstande - oder willens - war. Vielleicht auch daran, daß manches, das war, nur deshalb vergangen ist, weil seine Zeit noch nicht gekommen, der nötige Reifegrad noch nicht erreicht war. Und das macht es jederzeit möglich und wünschenswert, Aspekte des Vergangenen erneut, mit einem erneuerten Blick zu betrachten und gegebenenfalls wieder zur Gegenwart zu machen. Können tun wir das in vielen Fällen. Oft wollen wir's nur nicht. Aus Scheu, aus Bequemlichkeit.

Denn die Vergangenheit hat einen Vorteil: Sie ist vergangen. Sie ist uns in ihrem Verlauf vollständig bekannt und damit beherrschbar. Sie überrascht und überrumpelt uns nicht mehr. Wenn ich Teile von ihr in die Gegenwart zurückhole, beginnt wieder die Ungewißheit, die Vielfalt der möglichen Verläufe in der Zukunft. Und die können wir eben nicht immer ganz beherrschen.

Ich glaube trotzdem, daß es sich lohnt, Zeit ein wenig fluider wahrzunehmen. Und Nostalgie nicht nur für sentimentale Rückschau, sondern dafür zu nutzen, die Gegenwart immer wieder zu evaluieren. Und manchmal mit vergangen Geglaubtem zu vervollständigen.