Montag, 12. Mai 2025

Freiheit, die begeistern sollte

Wieso begeistern sich Menschen für Tyranneien? Für Kriegsherrn und Diktatoren? Für Haß und Ausgrenzung? Wieso nicht für die Freiheit, die Einheit und das unendliche Potenzial einer Menschheit, die gemeinsam statt gegeneinander handelt? So frage ich mich nach der unsäglichen Russland-Demo am Wochenende.

Ich denke zuweilen, die Freiheit begeistert nur zwei, vielleicht drei Generationen. Dann wird sie zur Selbstverständlichkeit und damit langweilig und reizlos, vor allem aber anstrengend. Denn sie überläßt dem Individuum eine Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten - und damit eben auch sehr viel Verantwortung.

Menschen in Freiheit werden bequem, und in der Sicherheit des unbehelligten Lebens erwacht der alte, tief in uns angelegte Drang nach dem, was wir nicht haben, dem neuen Reiz, dem intensiveren Gefühl. Demokratische Regeln und die tägliche Arbeit, die die Freiheit individuell und kollektiv erfordert, werden dabei als Hindernis und Gängelei empfunden.

Und so begeistert man sich für die Kraft, die all das durchbricht, die Art von Stärke, die klare Vorgaben macht und einfache Antworten bietet, und eine imaginierte Reinheit und Homogenität, wo die komplexe und vielfältige Welt die eigene Vorstellungskraft zu überfordern beginnt. Und die Freiheit wird zum Feindbild.

Für mich unbegreiflich. Europa mag seine Schwächen haben. Nicht jede EU-Regel mag sogleich einleuchten. Und daß die handelnden Menschen oft fehlerhaft sind, kann auch nicht überraschen. Aber die Grundidee und ihre nunmehr jahrzehntelangen Auswirkungen von Frieden, Freiheit und Wohlstand sind nach wie vor begeisterungswürdig. 

Ja, sie sollte uns begeistern, diese Freiheit, mit all ihren Makeln. Und wir sollten nicht müde werden, sie zu verteidigen, sie zu verbessern und uns jeden Tag daran zu erinnern, was die Alternative ist. 

Begeistern wir uns!