Sonntag, 3. Juli 2011

Eine Nachtmar

Es ist Nacht. Ich wache auf vom leisen Murmeln in meinem Kopf. So beginnt es immer. Angst beschleicht mich, denn ich weiß schon, was jetzt kommt – die schlimmste, die grausamste Plage von allen: meine eigenen Gedanken. Nacht für Nacht suchen sie mich heim, bösen Geistern gleich, die zu ewigem Spuk verdammt sind, um mich zu quälen.

Schon zieht sich die düsterste Stimmung über mir zusammen, schon umwogen mich leidvolle, schmerzliche Gedanken wie ein Meer aus schwarzem Gift, aus dem es böse flüstert:
„Du kriegst nicht, was Du Dir ersehnst...“
Und eine kalte Verzweiflung, ein namenloses Leid breitet sich in meiner Brust aus und lähmt meine Glieder.

Ängstlich pocht mein Herz, als wolle es sich freiklopfen von den Übeln, die es kalt umwehen. Die immer gleichen, schrecklichen Bilder erheben sich aus dem Dunkel, die Bilder von ihr und ihm, dem meine Träume erfüllt wurden, dessen Begehren über meine Liebe triumphiert hat, und lauter wird das Flüstern, höhnisch und bedrängend:
„Sie ist nicht Dein... sie war es nie und wird’s nie sein... Er aber hat sie. Er darf sie spüren, teilt ihr Leben... und auf die intimste, wonnevollste Weise darf er sich mit ihr vereinen...“
„Nein!“ wispere ich, „nein, bitte nicht...“
Aber er küßt sie und genießt sie trotzdem, und sie läßt es geschehen. Manchmal lächelt sie mich dabei böse an.

Übelkeit verschnürt meine Kehle... und doch lassen sie mich nicht los, die Gedanken, die Bilder... Sie umschweben mich, sie durchzucken mich, immer heftiger wird ihr erbarmungsloser Wirbel, und wie eine geschickt gelegte Fessel ziehen sie sich enger um mich zusammen, je mehr ich mich gegen sie wehre. Alle Freude, alle Hoffnung und Zuversicht weicht von mir; alles Gute in meinem Leben scheint im giftschwarzen Meer zu versinken, verschluckt von hämischen Wellen, die jetzt mit ihrer geliebten, süßen Stimme säuseln:
„Zuckersternchen... Du warst einfach nicht richtig.“
Es tut so weh, und ich kann nichts dagegen tun. Mein eigener Kopf peinigt mich, herzlos, weil Köpfe nun mal keine Herzen sind, und ohne Schonung.

Irgendwann schlafe ich ein. Nicht aus Ruhe, sondern aus Verzweiflung. Ich flüchte in den Schlaf. Manchmal wache ich nach solchen Nächten auf und frage mich, ob ich auf eine bizarre Art süchtig nach meinem eigenen Leid bin. Alles, was mich quält, ist in mir. Meine Erinnerungen, meine zerstörten Hoffnungen, meine enttäuschten Träume und unerfüllten Sehnsüchte. Sie erwachen jede Nacht, lösen sich aus mir heraus und führen ihren grauenvollen Tanz vor mir auf. Aber sie sind in mir. Ich sollte sie beherrschen, nicht umgekehrt. Vielleicht gelingt es mir ja heute nacht.

Vielleicht.