Während meiner Oberstufenzeit wollte ich Architekt werden, etwa so wie Helmut Jahn. Ich entwarf eifrig Kongresszentren, Stadien und Wolkenkratzer, baute Modelle dazu und entwickelte Visionen für das Deutschland, das mir für die nächsten 20, 30 Jahre vorschwebte.
Damals, um 1989/1990, standen wir an der Weltspitze in Forschung und Entwicklung, unsere Züge waren pünktlich und unsere Autobahnen makellos glatt. Wir bauten die besten Autos der Welt, waren die Nummer 1 im Export und hatten noch einen Platz in der Hochtechnologie. Ich glaubte fest, daß wir unsere Spitzenposition mit Fleiß, Innovation und Leidenschaft halten und das viele Geld nutzen würden, um unser Land permanent zu modernisieren und zukunftsfit zu machen.
Heute weiß ich, wie wir alle, daß nichts davon geschehen ist, und frage mich, warum es so zwingend dazu kommen mußte. Ja, sicher - man kann vieles herleiten. Aber um Analysen und Erklärungen geht es mir gar nicht.
Dieses heutige Deutschland ist mir einfach rätselhaft. In vielerlei Hinsicht verstehe ich die Menschen, die Mentalität und die soziale und psychische Dynamik nicht mehr. Es fehlt diesem Land an Selbstvertrauen, an Gelassenheit, an einer Idee von sicht selbst und an einem unverbrüchlichen Einverständnis - nämlich dem einer auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung basierenden sozialen Marktwirtschaft, die damals eben kaum in Frage gestellt wurde.
Nun sei es mir fern, nostalgische Sehnsüchte zu kultivieren (wozu ja gerade meine Generation Neigung und Anlaß hat) und im Glanz der Vergangenheit den Schlüssel zur Zukunft zu sehen. Wir haben eben gründlich den Anschluß verpaßt ans Weltgeschehen, an technologische Entwicklungen, an Innovation und Marktanforderungen. Da nützt auch keine Verbrennerromantik à la Söder & Co.
Gleichwohl frage ich mich, wie wir das lösen, wie wir zurückfinden zu einem funktionalen Land mit motivierten Menschen und zukunftsfähigen Lösungen. Wo wir ansetzen müssen. Was die Prioritäten sind und welche Strategie die richtige ist. Und wie wir vor allem das Vertrauen in die Institutionen, die Gewaltenteilung und die Demokratie zurückgewinnen.
Ich habe da so meine Vorstellungen, aber vielleicht stecke ich ja auch in einer Blase fest, die meinen Blick verengt.
Also ziehe ich mal den Publikums-Joker und frage - was meinen Sie?