Freitag, 28. März 2025

Sehnsucht nach Stille

Kein Wunder, daß langsam alle verrückt werden - wir sind ja auch völlig überreizt! 

Überall wird auf uns eingeplärrt: Es dröhnt und flimmert und leuchtet und wummert, wo immer man hingeht. Kein Supermarkt ohne aufdringliche Musik, keine Bar ohne Beschallung, unter der man sich nur brüllend unterhalten kann, kein Kaufhaus ohne Hintergrundgedudel und hunderte Bildschirme, die uns mit grellen, hochfrequenten Bildern das nächste Konsumbedürfnis einbrennen... Nicht mal auf der wunderschönen Seebrücke von Sellin, wo man doch nichts als den rauschenden Wind, die Wellen der Ostsee und das Lachen der Möwen braucht, entgeht man dem soziokulturellen Diktat anglo-amerikanischer Popmusik, weil der Eisverkäufer meint, die Menschen wollen das. Dazu unser Alltag mit Teams Calls und Email-Hagel, und abends dann Netflix zur vermeintlichen Entspannung.

Ich möchte einfach mal Ruhe. Die Stille Stunde zum Einkaufen wäre genau mein Ding. Bietet aber niemand in der Gegend. Je älter ich werde, desto empfindlicher werde ich gegen die maximale, beständige und unausweichliche Reizüberflutung, die unsere kognitiven Fähigkeiten und unser neuronales System massiv überfordert, ohne daß wir es immer bewußt merken. Vielleicht ist sie uns als Ablenkung von den eigenen Gedanken, vom eigenen Wesen ja sogar willkommen. Aber sie macht uns kaputt. Reizbar. Und süchtig. Ruhe ertragen wir offenbar kaum mehr.

Kein Wunder, daß langsam alle verrückt werden und die Welt so ist, wie sie gerade ist. Wirklich kein Wunder.

Dienstag, 25. März 2025

Deutschlandblick

Zuweilen macht's mich wütend, dieses Deutschland, meine Heimat, auf die ich mit liebender Sorge blicke und eben auch mit wachsendem Ärger. Denn nirgendwo scheint irgendetwas besser zu werden, nirgends ist eine Lernkurve erkennbar, nirgends entsteht das Gefühl, daß langfristige Strategie, beherztes Handeln und gesunder Menschenverstand über Eitelkeit, Gier und Klientelinteressen triumphieren. Es muß was geschehen, aber es darf nichts passieren - dieser alte Wiener Grundsatz scheint auch in Deutschland das Handeln, oder eher das Nicht-Handeln zu bestimmen.

Besonders in dem, was sich anschickt, eine Koalition zu werden. Das Ärgerliche ist nicht mal die schuldenpolitische 180-Grad-Wende des Kanzlers in spe, die ein erschreckendes Maß an, nennen wir es mal: ethischer Flexibilität und damit charakterlicher Unzuverlässigkeit offenbart. Auch nicht die selbstgefällige Unbeirrbarkeit, mit der die rote Hälfte des kommenden Regierungsbündnisses, das noch einen knackigen Namen sucht, an den Grundzügen einer gescheiterten und deutlich abgewählten Politik festhält. Nein, das eigentlich Empörende ist die Planlosigkeit, die nicht enden wollende Ignoranz und die gedankenlose Neigung zu faulen Kompromissen und bequemen Lösungen - das übliche deutsche Mittelmaß, zum x-ten Male aufgekocht.

Amerikanische Kampfjets, Software-Lösungen von Peter Thiel, und dazu Lustigkeiten wie die Pendlerpauschale und das blinde Vertrauen auf ein schnelleres Pferd alias Verbrenner - man traut seinen Ohren nicht. Wo bitte bleibt die Zukunft, die realistische Auseinandersetzung mit der Welt, in der wir heute leben und morgen (hoffentlich noch) leben werden?! Der ausgereifte Plan, der den Bedarf an Infrastruktur, Bildung, F&E, Einwanderung, Verteidigung und Klima klug ausbalanciert und nachhaltig bedient? Die Strategie, die mindestens 10 Jahre vorausdenkt, und nicht nur bis zur nächsten Landtagswahl? Ich sähe wirklich gern mal wieder Charakterköpfe, Strategen und Macher am Ruder in Politik und Wirtschaft, statt eitler Egomanen und gieriger Gewinnler. Ich sähe gern Kompromisse, die nicht auf kleinste gemeinsame Nenner und zahnloses Mittelmaß hinauslaufen, sondern die Synthese dessen abbilden, was die klügsten und engagiertesten Köpfe für Deutschlands Zukunft wichtig finden. Ich sähe gern einen plausiblen, ausgereiften Plan für das viele Geld statt des Refkexes, Löcher zu stopfen und veraltete Konzepte zu finanzieren.

Zuweilen macht's mich wütend, dieses Deutschland, weil es so träge, so kurzsichtig und bequem geworden ist, so jämmerlich und plump, weil es sonweit unter seinen Möglichkeiten bleibt und seine Brillanz hat verblassen lassen in einem diffusen Nebel aus Regelungsbesessenheit und Hypersensibilität. Aber ich will nicht wütend sein. Ich will, daß es blüht im Glanze seines Glückes, dieses schwierige, störrische deutsche Vaterland.

Mittwoch, 5. März 2025

Die Positiv-Lüge

Positiv solle man es sehen. Die neuen Chancen erkennen. Und daß jedem Anfang ein Zauber innewohne. Mit solchen Plattitüden versucht man heute gern, sich und anderen Niederlagen und Rückschläge schmackhaft zu machen. Das Scheitern hat in der Insta- und LinkedIn-polierten Erfolgswelt keinen Platz, und mit negativen Gefühlen soll man sich schon gar nicht aufhalten.

Warum ist das so? Was sagt es über unsere Kultur? Und provokant gefragt: Ist es denn ein Wunder, wenn unter diesem Positivitätsdruck immer mehr Menschen psychisch auffällig werden?

Jedem Anfang geht eben erst mal ein Ende voraus. Jeder neuen Chance eine vertane. Und jeder Möglichkeit das Scheitern des vorherigen Plans, eines Plans, an den sich einst Vorstellungen, Hoffnungen, ja Träume gar knüpften, die nun zerplatzen. Das dürfen, das müssen wir uns eingestehen, und darüber dürfen wir auch traurig, niedergeschlagen und verzagt sein. Diesen Teil unserer emotionalen Vielfalt einfach zu verdrängen, macht alles noch schlimmer.

Denn diese ganze "Aufstehen, Krönchen richten, weitergehen"-Ideologie ist zutiefst ungesund und verlogen, und sie geht von einem fundamentalen Irrtum aus: daß nämlich immer nur eine (1) Gefühlslage zu einer Zeit möglich ist. Das ist aber Unfug. Man kann am Boden zerstört sein und trotzdem schon die Euphorie des Neubeginns in sich spüren. Man kann tief enttäuscht sein und trotzdem bereits neue Ideen entwickeln. 

Wieso gönnen wir uns diese Komplexität nicht mehr? Wieso muß alles eindeutig und immer sofort positiv sein? Wieso werden negative Gefühle mit schlechten Gefühle gleichgesetzt, mit denen man sich nicht aufhalten soll - statt sie einfach zuzulassen, sie als Phase bewußt zu durchleben und Kraft und innere Sammlung daraus zu schöpfen? 

Bei mir jedenfalls sind die besten Ideen, die mächtigsten Entschlüsse immer, wirklich immer aus der Verletztheit, dem Schmerz, dem Verlust und der Traurigkeit erwachsen. Und so wird es wieder sein.

Dienstag, 4. März 2025

Ein Date mit mir selbst

Ich habe ein Date - mit mir selbst. Denn der Reiz romantischer Verabredungen liegt ja darin, sich näher zu kommen, Unbekanntes zu erfahren und vertrauter zu werden. Und genau das scheint mir mal wieder nötig. 

Seien wir ehrlich - in der Routine, dem täglichen Funktionieren, dem Erfüllen fremddefinierter Anforderungen und unserer Unterstützung der Ziele anderer Leute entfernen wir uns von uns selbst, verlieren uns gar und werden uns fremd. Ganz einfach, weil wir alles ausblenden, was uns von diesem Funktionieren ablenkt oder ihm gar widerspricht. Wir sortieren uns selbst in solche Facetten und Eigenschaften, die dem Ziel dienlich sind, und solche, die dabei stören, und die letzteren verdrängen wir dann, ignorieren und unterdrücken sie und gewähren ihnen keinen Raum in unserem Alltag. Und selbst wenn doch, dann höchstens als "Ausgleich". 

Unser "Alltag" ist aber unser Leben, die Zeit, die wir auf Erden haben! Eigenschaften unserer eigenen Persönlichkeit daraus zu verbannen, weil sie der Aufgabe nicht nützen, ist eine seelische Selbstamputation, eine Verstümmelung unseres eigenen Seins um obskurer Maßstäbe und Erwartungen willen. Nein danke.

Die Aussichtsplattform des Empire State Building gilt ja - zumindest dem Filmklischee nach - als klassischer Treffpunkt für romantische Begegnungen. Zeit also für ein Date mit mir selbst! Mal schauen, was da noch so ist. In mir. Was ich verdrängt, verloren, verleugnet habe in den letzten Jahren. Mal schauen, ob es da nicht noch Träume gibt, die es wert sind, erfüllt zu werden, Begabungen, die ausgelebt werden wollen, Ziele, die ich mir selbst setze statt setzen lasse! Mal schauen, wie ich mir wieder vertrauter werden kann. 

Höchste Zeit für ein Date mit mir selbst! Ich bin schon ein bißchen aufgeregt.