Inmitten des Trubels aus eiligen Menschen, die dem U-Bahnschacht entquellen und den unter heiserem Klingeln grob heranpolternden Straßenbahnen zustreben, steht sie und liest in einer Zeitung, völlig entrückt der Welt, die sie umgibt, und ganz und gar ihrer Innerlichkeit zugekehrt, die von außen zu berühren sie in diesem Moment keinem anderen Reiz als dem Artikel gestattet, den sie liest.
Auf ihren Lippen liegt ein versonnenes Lächeln. Ihr schwarzes Haar fällt in großen weichen Locken um ihr leicht nach vorn geneigtes Gesicht, und ihre schönen Hände halten das Blatt auf die denkbar anmutigste Weise.
Sie ist hübsch, auffallend hübsch sogar, eine fast vollkommene Erscheinung. Ihre lesenden Augen sind groß und dunkel, glänzen interessiert in die Zeitung hinein und wandern lebhaft darin herum. Das kurze schwarze Mäntelchen, eng gegürtet und weit ausgestellt, flüstert subtil von den Verlockungen ihres schlanken, feinen Körpers, der doch unerreichbar bleibt... Ihre Füße hat sie mädchenhaft über Kreuz gestellt, und obwohl diese Haltung äußerst instabil wirkt, steht sie ganz ruhig und fest da, unerschütterlich und durch nichts von sich selbst abzulenken.
Es ist faszinierend - ohne den geringsten Anteil an der Außenwelt zu nehmen, beeinflußt sie sie dennoch, erregt in ihrem Umfeld eine Aufmerksamkeit, ein Hinschauen und Kontaktsuchen, das ins Leere gehen muß, weil es in der Gedankenverlorenheit, der Abgeschiedenheit dieses ganz in sich ruhenden, beseelten Seins nicht wahrgenommen wird und an dieser Ignoranz leise und belanglos zerstäubt...
Wie unsagbar schön dieses zeitungslesende Mädchen ist, das ich nur für ein paar Sekunden sehe... Wie zauberhaft, berauschend ihr wunderbarer Stilbruch des hektischen Lebens. Ein vollkommenes Bild, das ich dankbar und still beglückt durch den Rest des Tages trage.