27% des Wiener Wahlvolkes haben ihre Stimme einem Mann gegeben, der außer bösen Parolen nichts anzubieten hat. Keine Lösungen, keine Konzepte, keine Ideen. Das unsägliche Wahlmotto der FPÖ "Mehr Mut für unser Wiener Blut - zu viel Fremdes tut niemandem gut" ist, von seiner literarischen Letztklassigkeit abgesehen, auch inhaltlich bodenlos und übertrifft an ungehemmter Dreistigkeit sogar die biologistischen Entgleisungen Thilo Sarrazins um Längen. Schamlos und ohne rhetorischen Filter wird hier der Wert von Menschen für das Gemeinwesen an die blutsmäßige Zugehörigkeit gekoppelt, während die bestehenden Probleme pauschal den Ausländern angelastet werden.
Natürlich läßt sich der Wahlausgang erklären, und natürlich ist der Gesamtsituation zu entnehmen, daß nicht jeder FPÖ-Wähler automatisch ein überzeugter Ausländerfeind und Strache-Fan ist. Es galt, die absolute Mehrheit der SPÖ zu brechen, und dafür wäre ein Kreuzchen bei der ÖVP nur bedingt geeignet gewesen, weil diese ja schon vor der Wahl beiderseits erklärtermaßen der Lieblingskoalitionspartner einer in die Minderheit geratenen SPÖ war. Also läuft der enttäuschte Protestwähler zu den Blauen über, wohl wissend und hoffend, daß sich mit Herrn Strache ohnehin niemand ins Bett legen und die FPÖ also auch mit ihrem Zugewinn keinen echten politischen Einfluß bekommen wird. Alles erklärbar.
Aber dieses Spiel mit dem Feuer bleibt gefährlich, und ein aus welchen Gründen auch immer erstarkter rechter Rand hat, wenn schon keinen politischen, so doch einen atmosphärischen Einfluß auf das Leben in dieser Stadt. Stimme ist Stimme - der demokratische Prozeß differenziert nun einmal nicht zwischen Überzeugungstätern und Protestwählern, und die FPÖ wird, auch wenn das niemand wirklich will, ein Stückchen hoffähiger.
Wehret den Anfängen. Um der SPÖ einen Denkzettel zu verpassen, hätte man auch grün wählen können. Wer sein Mitbestimmungsrecht als Bürger nutzt, um seine Stimme einem Mann zu geben, der sich mit unsäglicher Hetze gegen "das Fremde" profiliert, macht sich am sukzessiven Einsickern solchen Denkens in die Gesellschaft mitschuldig, gleich, welche strategischen Erwägungen ihn dazu gebracht haben, sein Kreuz bei der FPÖ zu machen.
Als Deutscher gehöre ich gewiß nicht zu der Art Ausländer, die nun verstärkt Diffamierungen zu befürchten hat. Gleichwohl fühle ich mich in meinem geliebten Wien seit Sonntag ein kleines bißchen unwohler.