Dienstag, 26. Oktober 2010

Wirklichkeit

Jemand, den ich nicht als Freundin, ja kaum als Bekannte bezeichnen kann, da wir uns nur über ein soziales Netzwerk und also nicht „persönlich“ kennen, hat mir eine Karte geschrieben. Eine echte Postkarte aus Papier, beschrieben mit echter Tinte in einer individuellen Handschrift. Ich erhielt sie und mußte schlucken.

Es ist süß, wenn Menschen aneinander denken und einander damit Bedeutung geben... Mich rührt es immer wieder zutiefst, daß unter den Milliarden Menschenwesen auf der Welt sich tatsächlich einzelne etwas bedeuten und sich daran freuen, daß genau der Eine, an den sie gerade denken, lebt und existiert...

Diese ergreifende, liebevolle kleine Dimension des Lebens kann ich nicht immer gut wahrnehmen... Zuweilen fühle ich mich so unendlich überflüssig... so verzichtbar in diesem riesigen Ameisenhaufen, in dem ohne mich ebenso unsystematisch herumgewuselt würde wie mit mir...

Und dann kommt sie, jemand, den ich gar nicht kenne, und sie nimmt sich Zeit, sie setzt sich nieder und schreibt mir eine Karte... mir, einfach so, ob der guten Gespräche, die wir in der virtuellen Welt geführt haben über ganz unvirtuelle Themen. Und ich muß ein bißchen weinen... weil es mich tief berührt, ohne daß ich es verstehe.

Da ist diese Sehnsucht nach dem Kleinen, nach dem Echten, Individuellen... Die Sehnsucht danach, sie zu sehen und fest in den Arm zu nehmen, mitten im unbeeindruckten Gewühl des Ameisenhaufens, einfach nur, um zu spüren, daß es sie, daß es überhaupt jemanden wirklich gibt, und daß ich ihr nah sein kann. Und zugleich wirkt diese Vorstellung unsagbar irreal...

Ich weiß nicht, ob es sie gibt, und wenn, ob es irgendeine Relevanz hat... ebenso wenig wie ich es von mir selbst weiß.