Ich bin ruhig geworden, so ruhig, daß kaum mehr etwas mich aus dieser Ruhe zu bringen vermag. Die Verbissenheit, mit der ich Menschen zu beeinflussen versuchte, und die Ungeduld, wenn etwas nicht sofort so lief, wie ich es mir vorstellte - all das ist mir zutiefst fremd geworden. Dinge, die mich bis vor kurzem maßlos aufregten, verärgerten, zu zorniger Verzweiflung trieben und ein meiner gediegenen Erscheinung zugegebenermaßen kaum anzumerkendes Temperament anstachelten, Menschen, die mich in ihrer Sturheit und Engstirnigkeit einfach nur wütend machten, Enttäuschungen, die bange Hoffnungen ebenso grausam wie gründlich zerstörten - all das vermag ich zu meinem eigenen Erstaunen heute mit heiterer Gelassenheit zu betrachten, wie ein Vogel, der aus der Luft auf das große Ganze eines Labyrinthes und all die Gestalten, die darin herumirren, hinabblickt.
Damit man mich nicht mißversteht: Weder beschreibe ich einen Zustand der Teilnahmslosigkeit, noch einen solchen der Überheblichkeit! Ich bin einfach nur gelassener geworden. Die letzten Jahre, die mich in einen Strudel des heil- und haltlosen Chaos' gezogen und mein Leben von innen nach außen gekehrt haben, die mich immer wieder zu den höchsten, vermessensten Trugbildern emporrissen, um mich hernach in tiefste Täler hinabzuschleudern, haben mich nun auf einer höheren Bewußtseinsstufe wieder ausgespuckt und mir damit eine Perspektive eröffnet, die mich weit mehr als früher (wenngleich nicht alles) verstehen und verzeihen läßt.
Natürlich ist mir nicht alles egal, und natürlich bleibe ich verletzlich, wenn mich etwas enttäuscht. Aber ich kann es besser einordnen und die vielen, vielen anderen, guten, schönen und richtigen Dinge im Leben erkennen und dagegenhalten.
Ja, meine Kraft liegt in der Ruhe. Sie befähigt mich, seit Jahren erstmals wieder zu schreiben, für andere da zu sein, zu streben, zu lieben und zu hoffen, ohne daß es mich zerstört, wenn dabei nicht alle Blütenträume reifen...