Mittwoch, 28. Februar 2024

Die Wut

“Paß doch auf, du Ar***loch!“ 

Schon wieder ist es passiert. Ein Fußgänger und ein Radfahrer waren sich nicht ganz einig, wen ihre Begegnung zu welcher Kursänderung hätte veranlassen sollen, und so machten sie ihrem Frust in gegenseitigen Beschimpfungen Luft. Menschen, die sich überhaupt nicht kennen, schreien sich auf der Straße an. Mich bestürzt so etwas.  

Denn ich verstehe einfach nicht, warum einen solche Petitessen derart zu erzürnen vermögen. Wie viel aufgestaute Wut, wie viel Frust und wie viel Angst muß ein Mensch in sich tragen, um auf so wenig so heftig zu reagieren? Angst, fragt Ihr? Ja, Angst. Denn Wut ist evolutionär betrachtet ja nur ein Abwehrmittel gegen Bedrohungen. Und Alter, scheinen wir uns alle bedroht zu fühlen! 

Nun gut, es ist verständlich. In Teilen. Wir leben in einer Polykrise, und die Errungenschaften unserer Zivilisation haben unserer Resilienz nicht eben gutgetan. Dann wiederum läßt sich fragen: Wenn wir schon mit so vielen großen Krisen konfrontiert sind, wieso schaffen wir uns dann obendrein noch massenhaft kleine? 

Ich denke, wir sind einfach überreizt. Nicht nur von den globalen Krisen. Wir haben uns eine Kultur der Reizüberflutung geschaffen. Überall wummert Musik, LEDs blinken uns an, Bildschirme zappeln grell um uns herum, wir werden zugedröhnt von scheinbarem „Content“, der nichts als Informationsmüll ist, und nirgends herrscht mehr Ruhe. Echte, tiefe Ruhe. 

Und so wächst die Nervosität, die Gereiztheit, und der kleinste Auslöser zeitigt extreme Reaktionen. Die wiederum zur Überreizung beitragen. Es scheint eine unaufhaltsame Abwärtsspirale zu sein. 

Zum Glück glaube ich nicht an Unaufhaltsamkeit. Ich glaube an Kommunikation. Auch und besonders die nonverbale. Neulich etwa: eine typische Gehsteigsituation – man geht aufeinander zu, und beide weichen in die gleiche Richtung aus. Es entsteht ein kurzes Stocken, ein Hin und Her, bis man aneinander vorbei findet. Mich macht so etwas lächeln; man kann daraus etwas Charmantes machen. Die Dame gegenüber aber zischte mir im Vorbeigehen nur ein zorniges „Idiot!“ zu. Sehr seltsam und irgendwie mitleiderregend. Aber vielleicht nimmt sie mein Lächeln als Erinnerung mit und reagiert beim nächsten Mal nicht ganz so aggressiv. 

Wir können auch einfach mal nett zueinander sein. Freundlich und großmütig. Eine positive Grundannahme pflegen, einen axiomatischen Glauben daran, daß der andere nichts Böses im Sinn hat, auch wenn sein Verhalten uns gerade nervt. Die vielen negativen Reize werden wir nur minimieren, wenn wir positive dagegensetzen. Wenn wir rücksichtsvoller, gelassener und nachsichtiger miteinander umgehen und uns gegenseitig zeigen, daß wir einander respektieren und die kleinen Unannehmlichkeiten des Alltags bei Weitem nicht unsere größte Sorge sind. 

Das Leben wird so viel leichter, schöner, erfreulicher und produktiver, wenn wir freundlich sind! Wie wär’s – macht Ihr mit?