Hat das Schöne, mit dem wir uns umgeben, Einfluß auf unsere Weltwahrnehmung? Prägen die Sinneseindrücke, die wir uns schaffen, unseren Umgang mit Menschen, unsere Kommunikation und unser Sozialverhalten - besonders in Zeiten der überall spürbaren ästhetischen und moralischen Verwahrlosung?
Täglich lassen wir Häßliches auf uns einwirken, werden mit Bosheit und Brutalität konfrontiert, und wollen auch im Alltag immer alles laut und grell und intensiv haben statt ausgewogen und besänftigend, lieber dionysisch-berauschend als apollinisch-erhebend. Wir wummern uns mit Musik zu, starren auf flimmernde Bildschirme, verkürzen und vernachlässigen unsere Sprache und verlernen unsere Manieren. Und ganz unwillkürlich kommt mir die Frage, ob nicht Schönheit mit (auch innerer) Ordnung und Ordnung mit Anstand zu tun hat, ja ob insoweit nicht auch der Anstand eine Form der Schönheit ist, oder ob umgekehrt die Pflege des Schönen uns auch anständiger macht.
Sie ist nicht neu, die Frage nach dem Zusammenhang des Guten mit dem Schönen, wie ihn die Inschrift auf der Alten Oper in Frankfurt andeutet, der Verknüpfung von Ästhetik und Moral, und bei mir persönlich, das gebe ich zu, ist da der Wunsch Vater des Gedankens.
Andererseits wird allzu oft das Gegenteil bewiesen, wenn sich das durch und durch Unanständige, das Gierige, das Eitle und Menschenverachtende in prachtvoller Kulisse inszeniert und mit erlesensten Requisiten und in edelsten Kostümen daherkommt. Auch das Böse beherrscht die Methoden der Ästhetisierung. Aber kann noch schön sein, was nur dem Niederen und Häßlichen dient?
Die Frage bleibt vertrackt und diffizil. Ich lasse sie lieber mal offen.