Mittwoch, 1. September 2010

Postmortale Wünsche

Immer wieder erstaunt mich, welch genaue Vorstellungen viele Menschen davon haben, was nach dem Ableben mit ihrem Körper geschehen soll. Mancher wünscht sich, unter einer Trauerweide begraben zu werden, ein anderer möchte einen Rosenstock auf dem Grab haben. Wieder andere wollen verbrannt werden und ihre Asche an einer bestimmten Stelle - in ihrem Garten, an der Klippe ihrer Lieblingsküste oder auf dem Meer - verstreut wissen.

Irgendwie rührt mich das zutiefst... und bleibt mir doch fremd. Ich empfinde solche Vorstellungen als sehr "lebend" gedacht, sehr im Diesseits verhaftet, und eigentlich belastet man damit das eigene Dasein bis zum Tode mit der überflüssigen Ungewißheit, ob denn wenigstens diese letzten Wünsche erfüllt werden - einer für meinen Geschmack allzu weltlichen Frage.

Mir ist es offen gestanden völlig gleichgültig, was mit meinem Kadaver geschieht. Meinetwegen kann man meine Überreste auf dem nächsten Acker unterpflügen, kompostieren oder zu Fischfutter verarbeiten. Es ist nur ein toter Körper, der zu nichts da war als mich durch das Erdendasein zu tragen, solange dieses eben währte. Wenn ich mir bange Gedanken darum machte, was nach meinem Dahinscheiden damit geschieht, würde ich den ganzen Reiz, der im Tode liegt, doch von vornherein ad absurdum führen.

Denn das wirklich Nette am Totsein ist doch, daß man mit einemmal völlig frei wird von aller Körperlichkeit, leicht und weit erhaben über aller Mühsal der physischen Existenz schwebt und mithin die Sorgen, Wünsche, Nöte, Hoffnungen und Ziele des irdischen Lebens so wunderbar belanglos werden, daß man lächeln könnte ob der Kleinheit des lebendigen Denkens und Empfindens, wenn man denn noch einen Mund dafür hätte... Man sieht plötzlich das große Ganze, jede einzelne Faser des universellen Gewebes, das alles trägt und alles prägt was kreucht, fleucht, lebt, liebt, irrt, sündigt und strebt. Man sieht es, man versteht es, und man ist ganz und gar versöhnt mit allem, weil man an einem höheren, einem universellen Bewußtsein teilhat, dem es gleich ist, wie und wo sich der Leib denn diesmal zu Erde zersetzt, weil jedes Molekül des Körpers schon unzählige Male in unzähligen Wesen gelebt hat und gestorben ist.

So stelle ich es mir jedenfalls vor. Oder aber - auch das ist denkbar - es kommt nichts, absolut gar nichts nach dem Tode. Dann ist es erstrecht egal, wo man verrottet.

(Den Aspekt, daß es den Hinterbliebenen Trost geben mag, einen Verstorbenen an einer bestimmten Grabstelle physisch-real "besuchen" zu können, habe ich hier zugegebenermaßen außer acht gelassen... Na gut, dann pflügt mich halt doch nicht unter.)