Mittwoch, 8. September 2010

Sprachgedanken

Kürzlich fiel einer aufmerksamen Leserin auf, daß ich mich hartnäckig der alten Rechtschreibung bediene, und ich erklärte ihr, diese Entscheidung beruhe auf linguistischen, ästhetischen und politischen Gründen. "Wieso auf politischen Gründen?", wurde ich gefragt, und ich finde, diese Frage verdient ein paar Gedanken, sei es nur als Diskussionsgrundlage, denn umfassend und eingedenk aller möglichen Argumente läßt sich ein so komplexes Thema in ein paar Blog-Zeilen natürlich nicht behandeln.

In aller Kürze (und ich bin mir der Ironie wohl bewußt, die darin liegt, ausgerechnet dieses Thema zu "vereinfachen"...) wäre also dies meine Antwort: Politische Gründe deshalb, weil die Simplifizierung der Sprache und die Auslöschung und Unkenntlichmachung ihrer historischen und ethymologischen Wurzeln die Breite ihrer Wissens- und Bildungsinhalte ebenso wie die Vielfalt ihrer Ausdrucksmöglichkeiten beschneidet und damit letztlich auch ein tiefgreifendes, kritisches Denken beschränkt. Denn Sprache ist nun mal der wichtigste Bewußtseinsträger und das unverzichtbarste Mittel zur Entwicklung und Formulierung von Ideen und Gedanken. Nicht umsonst hat Big Brother in Orwells "1984" als erstes die Sprache radikal vereinfacht, alle Synonyme abgeschafft und die Fähigkeit seines Volkes zum pluralistischen Ausdruck auch linguistisch beschnitten. Wer den Menschen eine komplexe, differenzierungsfähige Sprache nimmt, vereinfacht auf lange Sicht ihr Denken und macht sie manipulierbarer, weil sie sukzessive einfachen Antworten zugänglich werden.

Natürlich geht es bei all diesen Befürchtungen nicht darum, ob man Delphin mit f oder ph schreibt - diese Veränderung allein öffnet keiner Gedankenkontrolle Tür und Tor, das ist mir auch klar. Und natürlich hat sich Sprache, gerade die deutsche, immer entwickelt. Aber hier geht es nicht um den organischen Wandel einer lebendigen Sprache, sondern um eine staatlich verordnete Nivellierung. Es geht um eine in vielen Lebensbereichen unserer Gesellschaft erkennbare Tendenz, den Horizont der Dümmsten zum Maßstab des Zumutbaren macht, und dagegen wehre ich mich eben schon in den Anfängen.