Donnerstag, 16. September 2010

Routinebruch

Professionell, cool, glatt und makellos, im Londoner Maßanzug, der ebenso perfekt sitzt wie die Maske des Geschäftsmanns, die ich zu solchen Gelegenheiten trage. 500 Menschen, die trinken, reden, essen, Erfolge feiern. Ich mittendrin, das Weinglas lässig in der siegelberingten Hand, gewandt plaudernd, charmant und witzig. Das Übliche eben - netzwerken, Karten verteilen. Geschickte Selbstdarstellung, während man überzeugend so tut als interessiere man sich noch viel mehr für die Selbstdarstellung des Gegenübers. Ein Routinetermin.

Das war der Plan.

Aber da bist Du. Und ich kann meinen Blick nicht von Dir wenden. Ich kann mich mit niemandem unterhalten, nichts mehr interessiert mich. Mein Herz rast, meine Zunge ist trocken, mein ganzer Leib gelähmt in stummer Anbetung. Du plauderst, mit wem eigentlich?, leuchtest, lächelst, bist schön... und ich möchte vergehen vor Wonne. Ich klebe an Dir, starre Dich an voller Ungläubigkeit, daß es so etwas Wundervolles geben kann...

...und trinke zuviel Wein.

Ich versuche, mich möglichst normal zu geben und falle dadurch erstrecht auf, rede Unsinn, stammele vor mich hin, ernte fragende Blicke... bis ich es nicht mehr aushalte und fliehe, fliehe auf die Bühne, wo irritierte Musiker mich gewähren lassen, als ich das Mikro nehme und ein Lied singe, ja ernsthaft, vor allen Leuten, aber nur für Dich...

Du hast den Teil, der einst mein Herz war. Warum nimmst Du mich nicht ganz?