Mittwoch, 28. Februar 2024

Die Wut

“Paß doch auf, du Ar***loch!“ 

Schon wieder ist es passiert. Ein Fußgänger und ein Radfahrer waren sich nicht ganz einig, wen ihre Begegnung zu welcher Kursänderung hätte veranlassen sollen, und so machten sie ihrem Frust in gegenseitigen Beschimpfungen Luft. Menschen, die sich überhaupt nicht kennen, schreien sich auf der Straße an. Mich bestürzt so etwas.  

Denn ich verstehe einfach nicht, warum einen solche Petitessen derart zu erzürnen vermögen. Wie viel aufgestaute Wut, wie viel Frust und wie viel Angst muß ein Mensch in sich tragen, um auf so wenig so heftig zu reagieren? Angst, fragt Ihr? Ja, Angst. Denn Wut ist evolutionär betrachtet ja nur ein Abwehrmittel gegen Bedrohungen. Und Alter, scheinen wir uns alle bedroht zu fühlen! 

Nun gut, es ist verständlich. In Teilen. Wir leben in einer Polykrise, und die Errungenschaften unserer Zivilisation haben unserer Resilienz nicht eben gutgetan. Dann wiederum läßt sich fragen: Wenn wir schon mit so vielen großen Krisen konfrontiert sind, wieso schaffen wir uns dann obendrein noch massenhaft kleine? 

Ich denke, wir sind einfach überreizt. Nicht nur von den globalen Krisen. Wir haben uns eine Kultur der Reizüberflutung geschaffen. Überall wummert Musik, LEDs blinken uns an, Bildschirme zappeln grell um uns herum, wir werden zugedröhnt von scheinbarem „Content“, der nichts als Informationsmüll ist, und nirgends herrscht mehr Ruhe. Echte, tiefe Ruhe. 

Und so wächst die Nervosität, die Gereiztheit, und der kleinste Auslöser zeitigt extreme Reaktionen. Die wiederum zur Überreizung beitragen. Es scheint eine unaufhaltsame Abwärtsspirale zu sein. 

Zum Glück glaube ich nicht an Unaufhaltsamkeit. Ich glaube an Kommunikation. Auch und besonders die nonverbale. Neulich etwa: eine typische Gehsteigsituation – man geht aufeinander zu, und beide weichen in die gleiche Richtung aus. Es entsteht ein kurzes Stocken, ein Hin und Her, bis man aneinander vorbei findet. Mich macht so etwas lächeln; man kann daraus etwas Charmantes machen. Die Dame gegenüber aber zischte mir im Vorbeigehen nur ein zorniges „Idiot!“ zu. Sehr seltsam und irgendwie mitleiderregend. Aber vielleicht nimmt sie mein Lächeln als Erinnerung mit und reagiert beim nächsten Mal nicht ganz so aggressiv. 

Wir können auch einfach mal nett zueinander sein. Freundlich und großmütig. Eine positive Grundannahme pflegen, einen axiomatischen Glauben daran, daß der andere nichts Böses im Sinn hat, auch wenn sein Verhalten uns gerade nervt. Die vielen negativen Reize werden wir nur minimieren, wenn wir positive dagegensetzen. Wenn wir rücksichtsvoller, gelassener und nachsichtiger miteinander umgehen und uns gegenseitig zeigen, daß wir einander respektieren und die kleinen Unannehmlichkeiten des Alltags bei Weitem nicht unsere größte Sorge sind. 

Das Leben wird so viel leichter, schöner, erfreulicher und produktiver, wenn wir freundlich sind! Wie wär’s – macht Ihr mit?

Sonntag, 25. Februar 2024

Das Böse

Nennen wir es beim Namen - das Böse. Es existiert. Heute vor zwei Jahren hat es sich auf besonders grausige Weise offenbart und die Zukunft zu einer düsteren Tür gemacht, hinter die zu schauen man sich kaum mehr getraut, und auf die wir doch unausweichlich zugehen. 

Wie gut, wie glücklich könnte diese Zukunft sein, wenn wir nur zusammenhielten! Wie frei und unbeschwert wir alle leben könnten, wenn wir die Herausforderungen der Zeit gemeinsam angingen, einander respektierten und hülfen! Die Welt ist immer noch groß genug und könnte uns alle ernähren - wenn wir sie nur mit Klugheit, Liebe und Großmut verwalteten und teilten. 

Aber da ist eben das Böse. Es verkörpert sich nicht nur in Wladimir Putin, dem bösen Zwerg im Kreml, der so gerne groß wäre, sondern auch in gierigen Geschäftsleuten und Machthabern, denen ihr Profit mehr bedeutet als der Erhalt des Planeten, in Spaltern und Hetzern, die Menschen gegeneinander aufwiegeln, indem sie Feindbilder schaffen und Haß säen, in den Stimmungsmachern und Lügnern, die Klischees befeuern und Vorurteile verfestigen. Und auch ganz einfach in den Menschen, die sich auf der Straße wegen Nichtigkeiten anschreien und auf jede Einschränkung ihres vermeintlichen Rechts, ihrer Sichtweise aggressiv und pöbelnd reagieren. 

Das Böse ist über all da, wo es darum geht, Menschen Nachteile zuzufügen, um selbst ein wenig besser davonzukommen. Auch und gerade, wenn es sich als Schutz des christlichen Abendlandes verkleidet. 

Heute vor zwei Jahren saß ich hinter der dunklen Tür des Zimmers 411 im Hamburger Hotel Tortue und konnte nicht fassen, was in den Nachrichten zu hören war. Gerade an jenem Tage, an dem ich ein Projekt für Verständigung und höchsten Nutzen für alle Seiten erfolgreich vollenden konnte, zeigte das Böse seine Fratze. Und es wird immer lauter - besonders in den sozialen Netzwerken, wo empörenderweise die wirrsten Behauptungen, die zersetzendsten Thesen beklatscht und geteilt werden, wo Menschen lauthals ihrer Meinung Ausdruck geben, sie dürften ihre Meinung nicht sagen, wo Informationen zerschnipselt und in einem völlig verzerrten Sinne wieder zusammengesetzt werden, um aufzuwiegeln und Verständigung zu erschweren. 

Ist es zu spät, dem Bösen Einhalt zu gebieten und seine rasende Verbreitung aufzuhalten? Nein! Ich glaube zutiefst an die Kraft der Kommunikation, und wenn wir nicht müde werden, zu widersprechen, aufzuklären und Zeichen zu setzen, dann kann es uns gelingen, das Böse am Guten scheitern zu lassen. Denn ich bin überzeugt: 

Wir sind mehr.

Donnerstag, 1. Februar 2024

Mehr Leidenschaft für die Demokratie!

Ich glaube zutiefst an die Macht der Kommunikation. Deshalb habe ich meinen Beruf gewählt, und deshalb liebe ich besonders den Umgang mit Sprache. Und ich glaube, daß das Wohl und Wehe aller menschlichen Interaktion von der Qualität der Kommunikation abhängt, ganz gleich ob in Liebesbeziehungen, wirtschaftlichen Tätigkeiten, Alltagsbegegnungen, Freundschaften und im politischen Geschehen. 

Letzteres ist gerade sehr präsent. Der Extremismus, den wir vermehrt erleben, ist ohne Frage eine Gefahr für die Demokratie. Daß derzeit so viele Menschen dagegen aufstehen und für unsere freiheitliche Grundordnung auf die Straße gehen, ist nicht nur großartig, beruhigend und wünschenswert, sondern auch notwendig und ein exzellentes Stück Kommunikation mit einer klaren Botschaft: 

Wir sind mehr. 

An dieser Klarheit fehlt es meines Erachtens der medialen Berichterstattung und auch der Kommunikation der politischen Eliten. Aus meiner Beraterperspektive sehe ich hier zwei Schwächen: 

1. Es wird gewarnt und gewettert auf Teufel-komm-raus, und ich denke zuweilen, daß der AfD das nur recht sein kann. Denn es stilisiert sie zu einer bedrohlichen, fast unaufhaltsamen Macht, die, wenn überhaupt, nur massiver Widerstand eindämmen kann, und wer sich in ihrem Fahrwasser sieht, muß das Gefühl haben, auf einem erfolgreichen Weg zu sein. Eine Atmosphäre des verzweifelten Sich-Wehrens auf der einen, ein triumphierendes „Seht nur, wie sie zittern!“ auf der anderen Seite hat zersetzende Bewegungen in der Geschichte eher befeuert als aufgehalten. Dieses Gefühl dürfen wir den Fanatikern und Systemgegnern keinesfalls geben! 

2. Immer wieder wird aufgerufen, hetzerischen Reden und verzerrender Propaganda mit Fakten und Aufklärung zu begegnen. Eine emotional getriebene Weltsicht – und nichts anderes ist die Zustimmung zur AfD – wird man indes nicht auf der rationalen Ebene verändern, so sehr wir uns das wünschen. Menschen, die sich da verführen lassen, verwerfen Fakten als Lüge und zeigen damit ein emotionales Bedürfnis, das das bestehende System und seine Politik nicht mehr erfüllen. Und das müssen wir adressieren, so gern wir Deutschen auch rational argumentieren. 

Nehmen wir als Beispiel mal das simple Thema der heimatlichen oder kulturellen Identität, die schon bei ihrer bloßen Erwähnung als mindestens protorassistisch verurteilt und tabuisiert wird – weil ja alle Menschen gleich seien. Dieser linke Traum von totaler Gleichheit ist zwar völlig gegen die Natur des Menschen (und zudem übrigens das Gegenteil echter Vielfalt), wird aber als rationales Axiom in Dauerschleife postuliert. Also sind plötzlich nur noch Regenbogenflaggen in Ordnung, während Schwarz-Rot-Gold als nationalistisch verteufelt wird. 

Und wer füllt die Bedarfslücke und setzt sich sogar dreist auf das schwarz-rot-goldene Banner, das wunderbarste Symbol der Freiheit und der Völkerverständigung, das unsere Geschichte kennt? Die AfD. Mir bricht es jedesmal das Herz, wenn sie diese Farben für ihre düsteren Zwecke mißbrauchen und damit schänden, und wir alle sollten uns dagegen empören, statt sie gewähren zu lassen und selbst nur Pappschilder und Phantasieflaggen hochzuhalten. 

Natürlich ist dieses Land nicht perfekt. Vieles ist im Argen, und leider wird von politischer Seite nicht der Reformwille erkennbar, der Not täte und den sich viele wünschen. Was uns aber guttäte, ist ein positives Selbstverständnis, die dankbare Wertschätzung dessen, was wir an unserer Vielfalt, unserer Freiheit und der riesigen Mehrheit, die sich zu ihr bekennt, haben, und der Wille, auf dieser Grundlage die Mißstände gemeinsam anzugehen. Das ist ein Narrativ, mit dem man auch manchen AfD-Sympathisanten wieder gewinnen könnte, denn es bedient nicht nur die Ratio, sondern berührt die Gefühlsebene, stiftet Identität und schließt alle Menschen ein, die sich darauf einlassen, egal, welche Farbe, Religion oder Liebesgewohnheiten sie haben. 

Genau diese emotionale Ebene ist nun mal in der Kommunikation das Zentrum unserer Entscheidungen. Wir überlassen sie als Spielwiese exklusiv der AfD und versuchen, mit Fakten in eine desparate Defensive zu gehen. 

Überdenken wir das!

Samstag, 6. Januar 2024

Typisch deutsch - ein Schimpfwort

Wie widerwärtig mir die Deutschen, meine eigenen Landsleute, zuweilen sind! Wie undiszipliniert, faul und einfallslos sie sich betragen; wie achtlos sie mit ihrem Alltag, ihrer Sprache, ihrem persönlichen Auftreten und ihrer Lebensgestaltung umgehen, diese nörgelnden, rechthaberischen Kleingeister ohne den geringsten Sinn für Güte, Schönheit und Großmut... Sie treiben dahin im trüben Strom konformistisch beturnschuhter Einheitlichkeit, ideologisch selbstgerecht, irgendwo haltlos im bequemen Mittelmaß dümpelnd, und halten sich in ihrer mißgünstigen Eitelkeit doch für so einzigartig, so individuell, sind so überzeugt von einer ihren Mitmenschen überlegenen Perspektive und Weltbeurteilung, daß ihnen keine Beleidigung zu niedrig, keine Herabwürdigung zu gemein und keine Zankerei zu sinnlos ist. Gerade so, wie sie es in leidenschaftlicher Fingerzeigerei auch diesem Absatz unterstellen werden. 

Diese Deutschen - das wohl einzige Volk der Welt, daß seine Nationalität als abwertenden Begriff oder gar als Schimpfwort gebraucht. Typisch englisch - darin spiegeln sich Stil, trockener Witz und stolze Tradition. Typisch französisch - das hat Klasse, einen immer leicht anzüglichen Genuß und selbstgewisse Lebensqualität. Typisch italienisch - da schmeckt man das gute Essen, hört die Musik und spürt die frohe Lust am Leben. Typisch deutsch hingegen - das beschreibt borniertes Beamtentum, kleinliche Besserwisserei und eifersüchtiges Beharren auf dem eigenen Recht, am liebsten gegenüber dem Nachbarn oder dem Menschen hinter einem in der Warteschlange. Und leider stimmt vieles davon sogar. 

Und doch vermag ich nicht, mir diese negative Konnotation des Wortes "deutsch" zueigen zu machen. Deutsch ist für mich auch und zuvörderst eine der bedeutendsten Kultursprachen der Weltgeschichte, in der sich nicht nur Goethe, Kant, Schopenhauer, Nietsche, Wagner, Marx, Freud und die Manns ausgedrückt haben, sondern auch Karl Valentin, Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg, Loriot und die Toten Hosen. Deutsch ist für mich die Romantik in ihrer besonders schwermütigen Spielart, die Sehnsucht, der Zweifel und das hoffnungsvolle Streben. Deutsch ist der Gerechtigkeitstraum vom Aschenputtel, die biedere Gutmütigkeit der Sieben Zwerge und die einsame Verlorenheit des Dornröschen. Deutsch ist ebenso die protestantische Glaubenstiefe eines Johann Sebastian Bach, der Widerstandsgeist eines Martin Luther oder die Unbeugsamkeit eines Dietrich Bonhoeffer wie die unerschütterliche Haltung der Scholls oder Graf Galens. Deutsch ist die Geheimnistiefe des Rheins, die Geisterhaftigkeit der nebligen Nordseeküste und die Märchenwelt der bayerischen Berge. Und deutsch sind auch die Verwirrungen, die hitzigen Übertreibungen und die daraus erwachsenen Untaten unserer Nation. 

Und eben drum möchte ich das Deutsche nicht als etwas Negatives sehen, sondern als ein besonders vielschichtiges Phänomen, in dem eine eigenartige Begabung zum Außerordentlichen in allen Richtungen liegt, zu wunderbarer Schönheit und ekelerregender Widerlichkeit, zu romantischer Güte und Seelentiefe wie zu faschistischer Brutalität und Pöbelhaftigkeit. Was wir heute in der Gesellschaft sehen, scheint mehr in die letztere Richtung zu deuten, und dieser Eindruck mag meinen verzweifelten Einstiegssatz erklären, der doch im wesentlichen ein Ausdruck enttäuschter Liebe ist zu diesem Land und seinen Menschen. 

Wir können aber auch anders, und es liegt an jedem einzelnen von uns und an uns als Gemeinschaft all derer, die friedvoll in diesem Lande leben möchten, es anders zu machen. Mit Güte und Großmut, mit Einfallsreichtum und einer wohldosierten Selbstliebe, die doch recht eigentlich erst zur Liebe an sich und zu allen befähigt.

Samstag, 2. September 2023

Was darf man denn noch sagen...?

Was man denn eigentlich noch sagen dürfe, ist eine derzeit vielgestellte Frage. Die Regeln für "korrekte" Ausdrucks- und Verhaltensweisen werden immer komplexer und scheinen sich zudem ständig zu ändern. Besonders gilt das für den Umgang zwischen Männern und Frauen. 

Es ist eine vertrackte Situation. Kultur und Natur geraten heutzutage in Konflikt. 

In der Natur des Menschen liegt nun mal, wie bei allen höheren Tieren, die Arterhaltung per Paarung. Dieses Konzept beruht auf einer grundsätzlichen binären Geschlechterverteilung. Dem Männchen obliegt meist die Rolle des Werbers, dem Weibchen die der Entscheiderin. Ob es uns gefällt oder nicht - diese Rollenverteilung prägt das Verhältnis der Geschlechter bis heute - nicht ausnahmslos, aber eben im Grundsatz. 

Früher spiegelte die soziokulturelle Ordnung genau diese Aufteilung. Heute kommt jedoch ein kulturelles Paradigma hinzu, das Männer und Frauen gleichstellt (was gut ist!) und diese Gleichstellung als Negation aller Unterschiede definiert (was zumindest fragwürdig erscheint). Damit wird jedoch der Umgang schwieriger, weil Elemente des Paarungsverhaltens tabuisiert werden. Kulturell wird eine Neutralität, eine Blindheit verordnet, die der Natur so nicht gegeben ist. 

Man verstehe mich nicht falsch: In vielen Kontexten ist das absolut wünschenswert und dringend geboten! Im beruflichen Umfeld etwa haben ungebetene Paarungsrituale nichts verloren, und überhaupt sollte jede Annäherung stets beiderseits gewollt und genehmigt sein. Klar ist aber auch, daß die damit einhergehende Verunsicherung, was denn nun natürlich gegeben und was kulturell verpönt ist, steigt. Und also halten sich Männer in gemischten Gruppen an das kulturelle Paradigma und geben in ihren Gesprächen unter sich dann halt auch mal der Natur nach. Und Frauen machen es vermutlich ebenso. 

Nur eine Analyse - keine Wertung. Man mag sich empören, daß bereits mein geschlechterbinäres Axiom falsch und skandalös und politisch unkorrekt und sozial konstruiert sei. Ich werde damit zu leben wissen und mich auf diese Diskussion, die ich für psychotisch halte, nicht einlassen. Aber letztlich erlebt man doch im Kern kaum etwas anderes als Balzverhalten, als den Versuch, das bunte Gefieder zu spreitzen und sich möglichst attraktiv zu machen. Dem ehrgeizigen Karrierestreben liegt (zumindest bei vielen Männern) allzu oft der Drang zugrunde, durch Macht, Erfolg und Ansehen andere Männchen zu übertrumpfen. Frauen mögen indes den Männern zeigen, daß sie das natürliche Machtgefälle von weiblich zu männlich (denn die Entscheiderin hat immer die Macht) auch im sozialen und professionellen Kontext beizubehalten vermögen. 

Die Natur ist eben doch in uns allen, so kultiviert und professionell sie sich auch inszenieren mag. Und so läuft denn doch alles auf ein in seiner Motivation recht schlichtes Beeindrucken, Gefallen und Überzeugen hinaus...

"Riesen-Ego, der Typ - echt geil!"

Es gibt Begriffe, die meinen Widerstand erregen. Wörter wie "Gewinner", "Erfgstyp" oder eben "Riesen-Ego". Denn sie beschreiben oftmals nichts anderes als Menschen, die ausschließlich auf ihren Vorteil, ihr Weiterkommen fokussiert sind. 

Was mich am meisten irritiert, ist, wie positiv diese Begriffe immer noch besetzt sind und wie fragwürdig wir offenbar Erfolg definieren. Mal abgesehen davon, daß meiner Erfahrung nach die besonders ehrgeizigen Zeitgenossen in Wirklichkeit gar kein großes, sondern ein eher kleines Ego haben, das sie durch gesellschaftlich anerkannte äußere Muster zu kompensieren versuchen, scheint mir der Egotrip, den sie dabei fahren, selten positiv. Zu wenig wird von solchen Menschen ans Gemeinwohl gedacht, in kohärenten, interdependenten Systemen, in Teams und Interessengemeinschaften, und zu sehr in brutaler Durchsetzung der eigenen Ziele. Und irgendwann hat man das, was oft als "toxic high-performer" beklagt wird. Rücksichtslosigkeit, auch wenn sie viel zu oft als (sehr vermeintliche) Stärke bewundert wird, sollte aber kein konstituierendes Merkmal dessen sein, was wir als Erfolg betrachten. 

Ich freue mich daher immer, wenn Menschen ihre Talente und Ambitionen in den Dienst eines höheren Ziels stellen, einer Gemeinschaft etwa oder eines Unternehmens, eines Teams und eines Kunden, oder eben der Gesellschaft an sich, und darin auch Förderung und Resonanz erfahren. Für solche positiven Erfahrungen bin ich dankbar, schaffen wir auf diese Weise doch genau die Grundlagen, die unsere Gesellschaft im Ganzen so nötig hat: Austausch, Verständnis, Respekt und Gemeinsamkeit! Diese Werte machen die Welt allemal besser als alle "Riesen-Egos" und "Gewinnertypen".

Donnerstag, 18. Mai 2023

Schweres Leben

Ein Gedicht vom 15. März 2007, 
gefunden in meinem damaligen Tagebuch

Das Leben ist mir viel zu schwer, 
ich glaube fast, ich will's nicht mehr. 
Verantwortung ist eine Last, 
die irgendwie nicht zu mir paßt, 
und wenn ich was entscheiden soll, 
dann bin ich stets des Zweifels voll. 
Enttäuschungen ertrag' ich nicht, 
weil's oft an Gleichmut mir gebricht, 
und glaub' ich an die gute Welt, 
werd' allzu oft ich bloßgestellt. 
Was andre klar und deutlich seh'n, 
ist für mich selten zu versteh'n. 
Das Leben, ist man nicht mehr klein, 
kann wirklich sehr ernüchternd sein. 
So leb' ich also meine Frist, 
bis endlich sie vorüber ist.

Mittwoch, 22. März 2023

Deutschland peinlich Vaterland

Eine höchst subjektive Verzweiflungsrede 

Deutschland wird mir peinlich. Das Land, in dem ich aufwuchs, das Exportweltmeister war, die beste Technologie produzierte und in manchen Zukunftsbranchen sogar den Weltmarkt führte, ist nicht mehr dasselbe. Seine Entwicklung ist in den 90ern steckengeblieben, seine Produktion ausgelagert, sein Potenzial an China verkauft, seine Infrastruktur veraltet, sein Schienennetz verrottet und seine Autobahnen kilometerlange Baustellen, auf denen nichts vorangeht. 
Warum? Weil es schon damals keine Strategie gab, sondern nur Selbstgefälligkeit. Weil man keinen Plan hatte für ein Morgen, in dem sich die Welt verändert, sondern sich ausruhte auf dem Heute, in dem es halt noch lief. Und sparte. Und verwaltete. Und nichts tat. 

Deutschland wird mir peinlich. Seine Bevölkerung, der man einst Fleiß, Erfindungsreichtum und Disziplin nachsagte, ist wehleidig und bequem geworden, mißgünstig und reizbar, und hat ihren Zusammenhalt längst dem Eigennutz geopfert. Seine Dynamik ist der Stagnation gewichen, seine Innovationskraft einer trägen, einfallslosen Bestandsverwaltung. Und einfallslos ist auch der ästhetische Rahmen, den sich dieses Land gibt. In der neoproletarischen Verachtung formaler Standards schwindet jede Lebensqualität, jeder Stil und alles Schöne; die trotzige und doch nur scheinbar individualistische Selbstbehauptung gegen jede vermeintliche Regel schafft die totale Einheitlichkeit einer schleißigen Sneakers-Jeans-Hoodie-Gesellschaft, in der Diversität und Vielfalt zwar gepredigt, Unterschiede jedoch verleugnet und letztlich sogar bekämpft werden. 

Zu diesem Land paßt auch seine Regierung, eine kleinkarierte Beamtentruppe, die phantasielos vorgefertigte Protokolle abarbeitet, keine Vision hat, kein großes Bild sieht und immer nur reagiert statt zu agieren, die kein Abweichen vom Trampelpfad kennt, jedes eigene Risiko scheut und niemals ein kühnes Brechen der Regeln wagt, wo es die Situation geböte - engstirnige Verwalter, wo es aufgeschlossene Macher bräuchte. Sie pflegen ihre bürokratische Mentalität statt auf Vereinfachung und Beschleunigung zu setzen, erfinden neue Gesetze, treiben die Überregulierung immer zu neuen Höhen und gängeln den letzten Rest Unternehmergeist aus uns heraus, wo Freiheit und Vertrauen unsere einzige Chance wären. 

Deutschland wird mir peinlich, und es beginnt mehr und mehr, mich zu empören und meine Duldsamkeit als Staatsbürger, Unternehmer und Vater zu strapazieren - in meinem Alltag wie auch im deutschen Beamtenapparat, der uns zu Tode verwaltet, unser Geld sinnlos verbrennt und nichts bewegt. 

Und das sage ich aus Liebe, aus dem unerregtem Patriotismus und dem glühenden, unbedingten Wunsch nach einer guten und lebenswerten Zukunft für dieses Land, alle, die friedvoll darin leben, und unsere ganze wunderbare Welt.

Sonntag, 5. Juni 2022

Der Antigeist

Zu Pfingsten feiert man bekanntlich die Ankunft des Heiligen Geistes, eines Geistes, der die Jünger nicht nur vollends mit der Lehre Jesu durchdrang, sondern ihnen zudem eingab, in fremden Sprachen zu sprechen, sodaß alle Völker sie in ihrer jeweiligen Muttersprache verstehen konnten. Wohlgemerkt – sie sprachen nicht plötzlich alle dieselbe Sprache! Von Vereinheitlichung ist hier nicht die Rede, sondern davon, in der wunderbaren Vielfalt das Gemeinsame zu finden. 

Wie anders unsere Zeit! Zwar wird Vielfalt auch heute allerorts beschworen, man schwenkt Regenbogenfahnen und feiert jede Abweichung von dem, was früher mal als (Achtung Triggerwarnung!) „Norm“ galt. Zugleich aber dürfen Unterschiede zwischen Menschen auf keinen Fall thematisiert werden! Den Taxifahrer mit dem rollenden Akzent – sei es auch aus philanthropischer Neugier und persönlicher Anteilnahme an den Lebensgeschichten anderer – nach seiner Herkunft zu fragen, ist ebenso rassistisch wie die Erweiterung des persönlichen Horizonts durch die Adaption fremdländischer Idiosynkrasien, die als kulturelle Aneignung geschmäht wird, ohne freilich den logischen Bruch aufzulösen, der einerseits Vielfalt und kulturelle Bereicherung und Beeinflussung predigt, andererseits aber die bloße Erwähnung von Eigenarten als xenophoben Übergriff anprangert. 

Doch könnte man über diesen hysterischen Zivilisationsschaden noch hinwegsehen, würde die Grundidee des Pfingstfestes heutzutage nicht auf noch viel gefährlichere und brutalere Art betrogen. Denn wo damals* die Vielfalt die Brücke zum Gemeinsamen schlug, dient sie heute der Abgrenzung, der Einteilung von Menschen in ein gutes und erstrebenswertes „Wir“ und ein bedrohliches, zu bekämpfendes „Die“. Nationalismen, Chauvinismen und religiöser Fanatismus sind weltweit auf dem Vormarsch; Unterschiede, die doch tatsächlich bereichernd und verbindend sein könnten, werden zur Ab- und Ausgrenzung mißbraucht, und der totalitäre Wahn erhitzt Menschen in immer mehr Ländern bis zu einem Grade, in dem sie für die psychotische Überzeugung, ihre Identität, ja ihre Existenz sei bedroht, zu töten bereit sind. 

Und all das geschieht keineswegs nur am abgehängten Bodensatz von Gesellschaften, in urbanen Ghettos und bildungsfernen Randgruppen, die ihre individuelle Perspektivlosigkeit durch kollektiven Ersatzsinn substituieren, sondern auch – und das ist besonders besorgniserregend – dort, wo politische Macht sich bündelt und über das Schicksal von Menschen, Ländern, Systemen und letztlich der Welt bestimmt wird, in Palästen und Regierungssitzen, in denen Bedrohungen beschworen und Kriege ange-Z-elt werden. Die Liebe zur Demokratie schrumpft, auch hier bei uns, und der Freiheitsbegriff wird von einer Freiheit von Bevormundung in eine Freiheit von Verantwortung, ja Freiheit von Vielfalt umgedeutet, die ein autoritäres System für viele so attraktiv macht. 

Es ist der Antigeist zu Pfingsten, der sich mit solch feindseligem Gifte in die Köpfe fanatisierter Menschen brennt, und ob man das heutige Christenfest nun für religiöse Glaubenswahrheit oder für einen kultischen Mythos hält, bleibt seine Grundidee doch valide: Die Vielfalt als Geschenk anzunehmen und in ihr die Einheit zu finden, die alle Menschen in Liebe und Respekt verbindet. Zumindest daran möchte ich glauben, und heute vielleicht noch ein bißchen inniger als sonst.


*Wenn ich "damals" sage, lasse ich die historische Akkuratesse außer Betracht; für den Grundgedanken sowohl des Pfingstfestes als auch der Lehre Jesu ist geschichtliche Tatsächlichkeit oder religiöse Wahrheit irrelevant.

Donnerstag, 17. März 2022

Willst du das?

Da stehst du nun in deinem Tarnanzug, das Gewehr in der Hand, den Helm auf dem Kopf, ein weißes Z auf dem zugigen Laster, der dich und die anderen hergekarrt hat wie Vieh. Tief in einem Land, das nicht deins ist, stehst du da und tötest Menschen, die dir nichts getan haben. Weil man es dir befohlen hat. Weil man dir erzählt hat, diese Menschen seien deine Feinde. Weil der neben dir genau das Gleiche tut. Vielleicht habt ihr ja Angst, es nicht zu tun. Aber willst du es? 

Willst du das wirklich sein? Ein Mörder? Ein Dieb? Ein seelenloser Henker, ein gefügiges Werkzeug eines fernen, reichen Tyrannen, dem dein Leben egal ist? Du hast doch mal so viel gedacht. So viel gewollt. Du hast von Liebe geträumt und vom Glück. Willst du jetzt wirklich, daß deine Taten als die grausamsten, meistverachteten Verbrechen dieses Jahrhunderts in die Geschichte eingehen? Willst du nichts erreicht, nichts bewirkt haben in deinem wertvollen Leben als Leid, Qual, Tod, Zerstörung und Haß? Willst du das wirklich? 

Willst du, daß deine liebe Heimat auf Jahrzehnte mit Mißtrauen betrachtet und ihr Name mit Verachtung ausgesprochen wird - wegen nur eines Menschen mit Wahnsinn im Kopf und Haß im Herzen? Willst du das wirklich? Oder möchtest du nicht lieber in die Welt tragen, was dein Land schön und großartig macht, seine Kultur, seine Seele, seine Schönheit, seine Liebe, die Güte seiner Menschen und den Beitrag, den es zum wundervollen Bild der Welt leisten kann? Möchtest du nicht lieber Menschen umarmen als sie zu töten? Möchtest du nicht lieber mit ihnen lachen, spielen und Wodka trinken, als sie zu Tode zu ängstigen, nur damit du deine eigene Angst nicht mehr so spürst? 

Du schießt. Ein Feind? Ein Kind? Eine Familie? Nichts mehr regt sich. Leben, Liebe, Hoffnung endet. 

Soldat, bitte frage dich: 
Was willst du wirklich?

Donnerstag, 24. Februar 2022

Lieber Herr Präsident...

...was treibt Sie um? Warum lodern Hass und Misstrauen so stark in Ihrer Seele? Warum leuchtet die Schönheit und Güte Ihres wunderbaren Landes so schwach aus Ihren persönlichen Taten hervor? 

Sie haben Macht, sehr viel Macht. Sie führen das größte Land der Welt und repräsentieren eine der wichtigsten Kulturnationen des Planeten. Sie könnten die Welt zu einem besseren Ort machen. Warum, möchte ich wissen, führen Sie Ihr Russland nicht zu einer Größe, die von allen geliebt und bewundert werden kann, die die Menschen inspiriert und beglückt? Warum schaffen Sie nicht Schönheit und Wohlstand, Wissenschaft und Fortschritt, Kultur und Liebe? Warum machen Sie Russland nicht zu einer Nation, deren Name mit Zuneigung und Dankbarkeit ausgesprochen wird, sondern setzen stattdessen auf Gewalt, Härte, Brutalität und Lügen? 

Herr Präsident, wir sollten weiter sein. Die Welt ist klein geworden, und ihre Probleme sind umso größer. Als Weltgemeinschaft haben wir Aufgaben zu bewältigen, die dringlicher sind als jedes nationale oder wirtschaftliche Interesse. Krieg und Alleingänge gehören nicht mehr in unsere Zeit; wir sollten es besser wissen. Noch nie, noch nie hat ein Krieg die Welt besser gemacht, die Menschen zufriedener und das leben schöner. Bitte lassen Sie Ihr Russland das sein, was es immer war - ein wertvolles und alles bereicherndes Mitglied der Weltfamilie! 

Gott erleuchte Ihre Seele.

Sonntag, 17. Januar 2021

Stunde der Patrioten

Ihr seid verärgert. Frustriert. Besorgt und wütend. Das verstehe ich. Die Welt ist komplex und unberechenbar, und oft genug läßt sie uns mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück. Dazu Corona. Das Leben, der Alltag und die persönlichen Freiheiten sind eingeschränkt. Viele von Euch bangen um ihre wirtschaftliche Existenz und schultern erhebliche Belastungen durch Heimarbeit und Fernunterricht. Und ja, der Schlingerkurs der Regierung ist dabei ebenso unbefriedigend wie ihre undifferenzierten und oft genug konzept- und einfallslosen Maßnahmen. Ganz klar, daß man da Sorgen hat und sich wünscht, es sei endlich vorbei. Vielleicht sogar nur ein böser Traum und eigentlich gar nicht wahr. 

Und deshalb geht Ihr demonstrieren, füllt Straßen und Plätze, um dem Frust, den Sorgen und der Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Auch das verstehe ich irgendwie. Aber Ihr tut es ohne Masken, ohne Abstände. Dafür mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und Transparenten, die von Corona-Diktatur sprechen, von Widerstand und Grundrechten und Freiheit. Und plötzlich fühlt Ihr Euch wieder stark statt hilflos, aktiv statt nur ausgeliefert, bestätigt statt verzweifelt. Ihr werft mit Beleidigungen um Euch, von denen „Schlafschaf“ noch die harmloseste ist, und bombardiert mich mit obskuren YouTube-Links, auf denen fragwürdige Autoritäten wahlweise erklären, warum Corona entweder nicht mehr als ein Schnupfen oder aber die teuflische Erfindung bluttrinkender Eliten ist. Die Gemeinschaft, der Zusammenhalt, der sich auf Euer Bedürfnis gründet, etwas zu gelten und Eure Geschicke wieder selbst zu lenken, schlauer zu sein als alles, was die Medien oder die Regierung oder das RKI oder der Maske tragende Nachbar sagen... das tut ohne Zweifel gut. 

Hier tue ich mich schwer mit meinem Verständnis, ja. Und schon gar nicht leuchtet mir ein, was an derart verdrehten Ansichten „patriotisch“ sein soll. Denn Patriotismus sollte doch die Liebe zum Vaterland sein, und damit die Liebe zur Gemeinschaft all derer, die in diesem Land leben und es gestalten, betreiben und nach vorne bringen. Die Liebe zu den Menschen, die die Gesellschaft bilden, in der wir gemeinsam leben. 

Jetzt wäre also die Gelegenheit, wahren Patriotismus zu zeigen! Indem wir nämlich als Gemeinschaft zusammenstehen und uns gegenseitig schützen, damit wir die elendige Pandemie endlich besiegen. Ja, das erfordert Disziplin, Kraft, Selbstlosigkeit, Einfallsreichtum und Organisation – alles Tugenden, für die wir Deutsche mal weltbekannt waren! Und heute? Fangen wir wirklich an zu zetern wie die zornigen Kinder, nur weil wir mal ein Jahr lang nicht mit Freunden ins Restaurant gehen können oder im Supermarkt eine kleine Maske vorm Gesicht tragen sollen? Sind wir wirklich so sinnentleert, daß ein Jahr ohne Fernreisen und Clubbing-Nächte uns in der Substanz unseres Lebens bedroht? Haben wir tatsächlich soviel Anstand, Mut und Gemeinsinn verloren, daß wir uns lieber eine wirre Scheinrealität schaffen, anstatt verdammt noch mal zu tun, was immer wir können, um aufeinander aufzupassen und uns der gewaltigen Herausforderung zu stellen, die nur gemeinsam bewältigt werden kann? Nein! Selbstverständlich können wir das. Deutscher zu sein – das wurde einst mit Qualität, Effizienz und Disziplin assoziiert. Und so gehört es sich auch. 

Dies ist die Stunde der Patrioten. Seid da für unser Land. Tragt die dämliche Maske, auch wenn sie nervt und lästig ist. Steht ein für unsere Alten, unsere Schwachen, unsere Bedürftigen, die Ihr schützen und retten könnt. Unterstützt die Helden, die in unseren Krankenhäusern, unseren Pflegeheimen und in unserer Forschung jeden Tag Übermenschliches vollbringen, um uns gesund zu halten. Laßt uns diese Pandemie endlich besiegen, als Patrioten, als Deutsche, als Europäer, als Bürger eines Landes, auf das man mit Stolz schauen kann, und von dem die Welt vielleicht eines Tages sagt: Schau an, die haben das gut hinbekommen. 

Typisch deutsch halt.

Samstag, 3. Oktober 2020

Ein Festakt

Da ist er nun, der Tag der Deutschen Einheit. Zum dreißigsten Male jährt sich heuer die friedliche Wiedervereinigung meines Landes, jener schwierigen, geliebten Heimat, die mich hervorgebracht und geprägt hat, und damals wie heute beglückt mich dieses historische Ereignis zutiefst. Ich habe ein schwarz-rot-goldenes Fähnchen rausgehängt; recht einsam flattert es da im Schwabinger Wind. Nur ein einziger Nachbar in unserer Straße bekennt ebenfalls Farbe. Schade, dieses Unverhältnis der Deutschen zu ihrer Nation und ihren Symbolen. Beim Fußball, ja, da können sie plötzlich flaggen. Aber wo wahrlich Grund zu Freude und Stolz herrscht, regt sich kaum etwas im deutschen Gemüt. 

Im Fernsehen läuft ein Festakt. Herrje, das Feiern ist der Deutschen Sache nicht. Irgendwo zwischen aufgesetzter Feierlichkeit und gezwungener Lockerheit erstarrt, wird durch hölzern aneinandergereihte Beitrage moderiert. Das Video mit dem Staffelholz ist nett, erschließt sich aber nicht ohne weiteres, und die Bilder sind nicht halb so schön und ergreifend wie etwa die Einspielungen, mit denen der ORF das Neujahrskonzert spickt. Die Reden überraschen kaum; auch wenn an ihnen inhaltlich nichts falsch ist, fehlt ihnen doch die Leidenschaft und die visionäre, einende Kraft. Alles eher mahnend in so einem süß-sauren "Nun freut euch doch mal (aber paßt auch auf)!"-Ton. 

Der Bundespräseident spricht davon, daß Schwarz-Rot-Gold unsere Farben seien, die Farben der Freiheit, und daß wir sie nicht von Spaltern und Hetzern usurpieren lassen dürfen - sehr richtig! Aber warum findet sich dann auf der Bühne keine deutsche Fahne? So ganz selbstverständlich, wie etwa die Amerikaner das machen. Gewiß, das Lichtspiel greift die Nationalfarben auf und malt das exquisite Publikum rot wie eine Kunstinstallation in einer verwaisten Kathedrale, aber die Gelegenheit zu zeigen, daß genau diese unsere Fahne physisch-real zu unserer Republik und ihren Feiertagen gehört und eben nicht ausschließlich mit Fußballspielen oder AfD-Demos zu assoziieren ist, wurde - wie eigentlich immer - zuverlässig verpaßt. 

Dann die Musik. Roland Kaiser, nun ja, der weckt natürlich auch bei mir nostalgische Gefühle. Aber geht es heute um westdeutsche Achzigerjahre-Nostalgie? Ein wenig Mark Forster, klar, für die Jüngeren und so, Anna Loos auch, und, natürlich, das Deutsche Filmorchester Babelsberg, denn wir sind ja in Potsdam. Alles in allem ein etwas trauriger, ein ziemlich einseitiger Querschnitt durch das, was Deutschland kulturell zu bieten hat. Eine Feier ohne Witz, ohne Stolz, ohne Humor und ohne Hochgefühle. Schade. 

Sehr schön fand ich vor allem zwei Dinge: Daß unser Ex-Kanzler und Putin-Spezi Schröder zwar begrüßt, aber niemals gezeigt wurde (war er überhaupt da?), und die Nationalhymne am Ende – in ihrer Urform als Streichquartett. So mag ich sie am liebsten. 

Für mich bleibt's trotz der steifen Zelebration ein Freudentag. Und so wünsche ich meinen deutschen Landsleuten und allen, die in diesem großartigen Land leben, einen fröhlichen und entspannten Tag der Deutschen Einheit, einen Tag der Dankbarkeit für die Freiheit und den Frieden, den wir haben, einen Tag, der die Einigkeit stärkt und die Spalter und Hetzer verstummen läßt, und einen Tag, an dem wir uns bewußt werden, wie unvergleichlich gut wir es allen Schwierigkeiten zum Trotze hierzulande haben. Laßt uns die Unannehmlichkeiten dieser Zeit gemeinsam in Kauf nehmen und unsere Rücksichtnahme, unsere Solidarität miteinander zum Ausdruck dessen machen, was wir in der ersten Zeile unserer Nationalhymne besingen: zum Ausdruck also der Einigkeit, des Rechts und der Freiheit, auf daß wir alle im Glanze jenes Glückes blühen, das wir uns gegenseitig ermöglichen.  

Alles Gute, Deutschland!

Dienstag, 18. August 2020

Mein Platz

Was mich am meisten nervt an der Pandemie, sind nicht die Masken, auch wenn sie lästig sind. Es sind auch nicht die Covidioten, auch wenn ich es grotesk finde, wenn sie mit Schwarz-Rot-Gold herumlaufen und damit eine Gemeinschaft beschwören, auf die Rücksicht zu nehmen sie sich jedoch eines egozentrisch definierten Freiheitsverständnisses wegen weigern.

Nein, es sind diese Schilder, die heutzutage an vielen Gastronomien zu sehen sind: "Wir zeigen Ihnen Ihren Platz!" Nee, möchte ich sagen, das tut Ihr nicht. Denn meinen Platz kenne ich. Geographisch, familiär, sozial und beruflich. Da brauche ich keinerlei Nachhilfe von einem Oberkellner. Ihr dürft mich jedoch zu meinem Tisch geleiten, das wäre nett, denn natürlich müssen wir alle zusammenhalten und die Regeln beachten, um dieses dämliche Virus in den Griff zu kriegen und uns gegenseitig zu schützen. Weil so nämlich Gemeinschaft geht. Schwarz-Rot-Gold und so.

Die ordnende Zuweisung eines Tisches, die kann man anders kommunizieren. Nett und respektvoll. Worauf ich jedoch ganz empfindlich reagiere, ist, wenn mir jemand meinen Platz zeigen will. Daran haben sich wahrlich schon andere die Zähne ausgebissen.

Dienstag, 4. August 2020

Ein Nachruf

Ein Nachruf - ja! Nachrufen möchte ich Dir: Geh nicht weg! Sei noch da! Wir haben so viel versäumt. So viele Gespräche, die wir nicht geführt, so viele Erlebnisse, die wir nicht geteilt haben. Weil es so lange her ist, daß wir uns gesehen haben. So viele Jahre, seit Du den Kontakt abgebrochen hast. Und ich habe es verstanden. 

Du warst so schrecklich verliebt in mich. Es war offensichtlich. Und einmal hast Du es mir gesagt. Damals auf dem Balkon, irgendwann nachts, champagnerselig, während im Saal der Hausball rauschte. Ich fand das unglaublich süß. Aber da konnte ich nichts machen. Ich liebe halt anders als Du. Und Du wußtest das ja auch. 

Herrje, der Tag, an dem Du mich feierlich und geheimnisvoll zu Dir gebeten hast, in Dein kleines Dachzimmerchen, das so voll war mit Büchern und CDs. Herumgedruckst hast Du, um die richtigen Worte ringend, wie es doch sonst nicht Deine hocheloquente Art war, und auf den verschlungensten Wegen hast Du Dich schließlich zu Deinem großen Bekenntnis vorgekämpft, dem Geheimnis Deiner Homosexualität, das ich doch längst kannte. Ein wenig habe ich wohl den dramatischen Bogen ruiniert als ich auf dem Höhepunkt Deiner Offenbarung nur sagte: Ja und? Das weiß ich doch. 

Das hat Dich ein wenig erstaunt, nicht wahr? Für einen Moment warst Du aus dem Konzept gebracht. Und dann erzähltest Du mir, merklich erleichtert, wieviel Angst Du vor diesem Gespräch, diesem Geständnis gehabt hattest. Schließlich hatte nicht jeder Deine Art zu lieben mit so viel Wohlwollen aufgenommen; Deine Mutter, so erzähltest Du, habe sich gar "vor Kummer in den Dahlien gewälzt" - eine Formulierung, die ich heute noch verwende. Und immer muß ich dabei an Dich denken und lächeln. 

Himmel, Du warst also schwul. Es gehörte für mich zu Dir wie Deine Liebe zu Wagner oder Hofmannsthal, wie Dein Siegelring und Dein vornehmer nordfriesischer Akzent. Und es schien mir durchaus liebenswert, wenngleich ich dieser Neigung nichts anzubieten hatte. Was mir leid tat für Dich, aber eben nicht zu ändern war. 

Weißt Du, ich kenne unerfüllte Liebe. Ich habe sie selbst lange erdulden müssen. Und es tut mir leid, Dir solchen Herzschmerz verursacht zu haben. So viel davon, daß Du es irgendwann vorzogst, den Kontakt ganz abzubrechen. Ich verstehe das. Aber Du fehltest mir von da an. Alles an Dir. Alles, was uns verband. Unser serpentinenhafter, holpriger Lebensweg, der uns beide von der Juristerei zur Literatur und dann irgendwann in ganz neue Bereiche geführt hatte, und auch unsere seelische Verwurzelung in einer anderen Zeit... 

Schön war's damals in Heidelberg. Eine Zeitlang bist Du bei uns ja fast zu Hause gewesen; wir haben stundenlang über Literatur gesprochen, Opern gehört oder Viscontis "Ludwig" angeschaut. Du warst so unglaublich klug, so belesen und bereichernd... und dabei so warmherzig, so empfindsam und seelenvoll. Ich hatte Dich gern als Freund, weil ich mich endlich verstanden und einfach ein bißchen weniger allein fühlte in meiner Sehnsucht nach dem Schönen und Guten in dieser immer häßlicher werdenden Welt. 

Heute ist Dein Geburtstag. Seit Deiner, ich nenne es mal "Trennung" von mir denke ich jedes Jahr an diesem Tag an Dich. Und jedes Jahr habe ich mir vorgenommen, Dich anzurufen. Zu hören, ob es Dir gutgeht. Und zu schauen, ob sich diese besondere, bereichernde Freundschaft nicht doch erneuern ließe. Und jedes Jahr habe ich es nicht getan. Aus Respekt vor Deiner Entscheidung. Aus Angst, alte Wunden aufzureißen. Und vielleicht ein wenig aus dem Glauben heraus, wir hätten ja noch ein ganzes Leben lang Zeit. Wie töricht.

Auch heute habe ich an Dich gedacht. Und heute, ja, heute war ich soweit, heute habe ich beschlossen, es allen Bedenken zum Trotze zu wagen und Dich anzurufen! Was soll's denn, dachte ich - es sind nun fast 20 Jahre! Und also suche ich in freudiger Erregung, im herzpochenden Wagemut des Neubeginns nach Deinen Kontaktdetails. Und finde Deinen Nachruf. 

Du bist gestorben. Sehr schnell. Sehr unerwartet. Und viel zu früh. Himmel, Karl, Du bist ein Jahr jünger als ich! Wie kannst Du seit vier Jahren tot sein?! 

Ich habe Dich verpaßt. Wir uns. Die letzten beiden Jahre Deines Lebens haben wir sogar in derselben Stadt gewohnt. Wie unser alter Lehrer übeigens, wußtest Du das? Wie einfach hätte es sein können! 

Ich bin so unendlich traurig. Nun werden wir uns niemals wiedersehen. Keine Gespräche mehr über Richard Strauß und Hugo von Hofmannsthal. Keine kurze, süße gemeinsame Flucht vor der häßlichen Gegenwart in jenes Reich, das nicht von dieser Welt ist und uns doch so innig verbunden hat... 

Danke Dir. Danke für Dich, für die Impulse und Perspektiven, für Dein Vorbild und Deine Liebe. Ich werde Dich niemals vergessen.

Dienstag, 26. Mai 2020

Wunder a.D.

Es gibt Wunder, die hören auf. Quittieren sozusagen ihren Dienst – und das durchaus aus freien Stücken! Sie wollen nicht mehr wunderbar sein, kein beglücktes Sich-wundern mehr auslösen bei den sie verwundert Erlebenden. Solchen Wundern ist es nicht nur um das Ende ihrer Wundereigenschaftlichkeit zu tun, um ein Aufhören ihrer gestaltenden und wegbereitenden Macht, nein - überwältigt von der eigenen Unglaublichkeit möchten sie zugleich alles, was jemals wundervoll war an ihrem Wirken ungeschehen machen und aus jeder Erlebnisgeschichte tilgen. Sich selbst vergessen machen, das möchten sie. Und am liebsten den gesamten Glauben an Wunder per se gleich mit.

Doch ach, das muß fehlgehen! Denn so machtvoll das Wunder wirkt, solange es eben dieses bleibt, so unfaßbar sein Auftreten und seine Folgen, seine ganze schicksalsverbiegende Kraft dem überwältigten Zeugen erscheinen mögen, so schwach und hilflos ist das Wunder in seinem Willen, sich selbst nichtig zu machen. Und je mehr es sich leugnet, sein vielseits bezeugtes Wirken nachträglich zu bestreiten versucht und die wundertätigen Veränderungen des regulären Geschehens hin zum ganz und gar Unwahrscheinlichen verneint, desto deutlicher wird sein Einfluß, seine unwiderlegbare Echtheit und die auf ewig bestehende neue Wahrheit, die es geschaffen hat und nie mehr abschaffen kann.

So bleibt ihm nichts als ein ganz und gar wunderloses Dasein in der beklemmenden, nichtswürdigen Spalte zwischen unleugbarer, lebensvoller Wirkungsmacht und gewaltigen, endgültigen Erreichungen auf der einen, der recht eigentlich wahren Seite, und dem verlogenen, murrenden Beharren auf dem eigenen Nie-dagewesen-sein andererseits, eine Spalte, die niemals Recht bekommen kann und also die Wahrheit nie restlos vom selbstzerstörerischen Wunschbild zu trennen und auszulöschen vermag. Die Enge dieser Spalte, dieser Zwischenexistenz bleibt ziel- und zwecklos, auch wenn sie sich mit allerhand unbefriedigenden Ersatzwirklichkeiten anfüllt, und muß am Ende alles zerdrücken, was das nicht mehr Wunder sein wollende Wunder so gern als neue Gültigkeit der Geschichte festgeschrieben hätte.

Das aber geht nicht. Wunder bleiben Wunder.

Samstag, 23. Mai 2020

Verfassungstag in Corona-Zeiten

23. Mai - Verfassungstag! Ich freue mich sehr über dieses Grundgesetz, das Deutschland zum einem der freiesten, sichersten und wohlhabendsten Länder der Welt macht. Aber das tumbe Gemotze, mit dem nun selbsternannte "Verfassungspatrioten" um ihrer Freizeit- und Konsumvergnügungen willen auf ihre (ohnehin kaum mehr eingeschränkten) Grundrechte pochen und meinen, sich ihrer individuellen Freiheit wegen über das allgemeine Wohl hinwegsetzen zu dürfen, bestürzt und verärgert mich. Dennoch: Frohen Verfassungstag und alles Gute, Deutschland!

Donnerstag, 21. Mai 2020

Vatertag

Ich gratuliere mir mal selbst zum Vatertag. Denn die Mutter meines Kindes käme nicht darauf. Sie hat ihre Mutterschaft zum Geschäftsmodell gemacht, schreibt Kinderbücher mit lustigen Lerngeschichten und erzählt ihrer ergebenen Filterblase mit Vorliebe von ihrem harten Alltag als Alleinerziehende. Einen Alltag, den sie durch das Beenden der damals noch bestehenden Beziehung freilich selbst gewählt hat, aber mit solchen Details wird das Publikum nicht behelligt.

Einen Vater gibt es in ihrem Narrativ folgerichtig nicht, schon gar keinen, der vom ersten Tag an mehr Unterhalt gezahlt hat als er mußte, sein Kind regelmäßig besucht, jede irgendnötige Hilfe gewährt und alle wichtigen Zusatzanschaffungen und -maßnahmen ermöglicht hat. Ohne Vaterschaftstest, übrigens, und ohne Eintrag in der Geburtsurkunde. Auf Treu und Glauben, sozusagen, obwohl beides über die Jahre durch mannigfaltige Demütigungen und unverfrorene Lügen immer wieder recht krass enttäuscht wurde.

Stattdessen bleibt die Vaterfigur nebulös; sie wird, wenn überhaupt, über vage Implikationen definiert. Implikationen, in denen nichts konkret wird, aber genug häßliche Charakterzüge und sehr viel Egoismus des Erzeugers erahnbar werden. Ein Hauch von Sitzenlassen schwingt da mit. Die - selbstverständlich von sehr viel Mitgefühl und solidarischer Anteilnahme des virtuellen Publikums begleitete und aufmerksam verfolgte - Scheinwirklichkeit ihrer Texte zeichnet das Bild einer tapferen, zarten und kreativen Frau, die ganz allein und ohne jede Hilfe unter widrigsten Umständen ihr Kind durchbringt. Nun ja, irgendwoher muß man sich ja ein Selbstbild zaubern und es validieren lassen.

Aber halt - ich will nicht ungerecht sein: Zweimal war ich doch Gegenstand ihrer Blogtexte. Verklausuliert als übelriechender, sich im heimischen Idyll von Mutter und Kind rücksichtslos breitmachender Mops, ein (natürlich) imaginärer Freund des Kindes. Ja, so geht wohl Dankbarkeit, Partnerschaft und Loyalität. Und doch mache ich weiter. Unbeirrt, unkränkbar, unerschütterlich.

Irgendwann macht sich meine Tochter gewiß ihr eigenes Bild.

Sonntag, 10. Mai 2020

Muttertag

Wenn irgendetwas mir im Leben
beständig Kraft und Sinn gegeben
und mich mit zarter Hand geführt,
mich fromm beseelt und inspiriert,
so war es meiner Mutter Liebe,
die mich im wirren Weltgetriebe
beschützte und behütete,
mich trug und mir vergütete,
was mir das Schicksal abverlangte,
und mit mir litt und mit mir bangte,
und die bis heute mich erfüllt,
mich wie ein starkes Kleid umhüllt
in guten und in schlechten Tagen,
in Siegen und in Niederlagen,
in Zweifelsnot und höchstem Glücke -
wie sich die bunten Lebensstücke
auch fügen, um ein Bild zu geben,
des bin ich mir gewiß Leben:
Hemmt meinen Weg auch Stock und Stein
und hält mich auf und macht mir Pein,
so wird doch nie mein Fuß mir wund
auf Deiner Liebe weichem Grund!

Freitag, 3. Januar 2020

Lange her

Lange ist's her, daß ich in diesem Café an diesem Tische saß und eingesperrt war in einer Gegenwart, die ich nicht zu beeinflussen, nicht zu bewegen vermochte, die keine Zukunft ahnen ließ und schwer am Vergangenen, am Verlorenen trug. So gab es nur den Augenblick, das kleine, gerade so ertragbare, fest eingefrorene Fenster zwischen Last und Ungewißheit, zwischen Schmerz und Angst, jenen Moment, den es exzessiv zu füllen und rauschhaft zu leben, zu betäuben galt in Lust, um das so schrecklich unveränderte Morgen noch ein kleines bißchen fernzuhalten.

Jene Gegenwart war mir dieser Tisch, an dem ich geliebt und gelitten habe, verzagt, verführt, verletzt und verloren, und der zum Angelpunkt meines entzeiteten Seins wurde. Es ist lange her, daß meine eingefrorene Gegenwart endlich aufbrach, krachend wie blaues Eis, und mein Gefängnis mit Verheißung und wunderhaften Aussichten durchlichtete. Auf einmal weitete sich das Café um meinen Tisch, und das Gewölbe auf seinen starken Säulen bog und streckte sich wohlig in die Höhe wie eine buckelnde Katze nach tiefem Schlaf. Die Wände platzten auf in lebensgieriger Blüte und gaben einen strahlenden Himmel preis, dessen Licht fast zuviel war.

Es ist lange her, und blaß und fern ist die Erinnerung daran, wie die Zeit sich wieder zu regen begann, langsam und behäbig sich freirollte aus dem eisigen Sehnen, in dem sie stillgestanden hatte, Schwung gewann und endlich munter dem Wunder entgegensprang, das sie entfesselt hatte, dies und das überwindend und hinter sich lassend...

Mein Tisch hat, wie ich, laufen gelernt. Wie ich, geht er mit der Zeit. Ein neuer Gast hat Platz genommen. Warm und beweglich. Die eisige Starre, sie ist lange her.

Dienstag, 31. Dezember 2019

Willkommen in den 20ern

Ein Silvestergedanke

Klar - ich find's auch irgendwie lässig zu sagen, wir leben jetzt in den 20ern! Sieht man mir, glaube ich, an.

Aber so sehr der Gedanke an jenes Jahrzehnt bei uns Bilder von schmucken Kavalieren in Frack und Zylinder und schlanken Mädchen mit breiten Stirnbändern und langen Perlenketten weckt, die unverblümt rauchen und zu heißen Charleston-Rhythmen tanzen, so sehr wir an das wilde Berlin von Klaus und Erika Mann denken und uns darin gefallen, diese Zeit auf Gatsby-Partys idealisierend aufleben zu lassen, so sehr sollten uns auch - ohne unmittelbare historische Vergleichbarkeit - die Gefahren und Fehler jener Epoche, die Radikalisierung der Gesellschaft und der Haß auf alles Andersartige, der in die Katastrophe führte, dazu inspirieren, uns den immensen Herausforderungen zu stellen, die unsere 20er Jahre prägen werden.

Der Weltfrieden scheint zuweilen ähnlich bedroht wie das Klima, und die Freiheit, deren rauschender Ausdruck das Lebensgefühl der Goldenen 20er unter Gustav Stresemann sein mag, ist ein Gut, das es wachsam zu schützen und zu verteidigen gilt. Die gleichen Jahreszahlen, die selben Nationalfarben....

Die Reminiszenz an die Ästhetik und das provokante, ausgelassene Lebensgefühl dieser Zeit macht Spaß - das ist ganz in Ordnung! Sehen wir zu, daß unsere 20er zu besseren 30ern führen als die des letzten Jahrhunderts!

Dienstag, 26. November 2019

Rassismus für Anfänger

"Extremely offensive" nannte man mich neulich. "Incredibly racist". Wer mich kennt, wird hier wohl ein wenig staunen, und so ging's auch mir. Ob ich sie noch alle habe, fragte mich ein anderer, zu dessen Position an sich eine etwas gewähltere Ausdrucksweise gehören sollte, aber offenbar endet jeder Respekt, sobald man glaubt, anderen Respektlosigkeit bescheinigen zu dürfen. Etwas so extrem Rassistisches zu sagen, das gehe gar nicht. Was war geschehen?

Ich hatte eine blöde Bemerkung gemacht. In einer Teambesprechung in kleiner Runde, in der jeder kurz darlegt, was sich gerade tut, habe ich von den anstehenden Präsentationsproben mit einem Team indischer Kollegen erzählt und mich zu dem fraglos dämlichen Scherzlein hinreißen lassen, es sei nicht immer einfach, mit einer Gruppe von Leuten zu proben, die alle klingen wie Apu aus den Simpsons. Unbedacht, wenig sensibel, kränkend vielleicht - ja. Hätte ich mir sparen können. Und selbstverständlich habe ich mich für eventuell verursachte Verletzungen sofort entschuldigt, denn es liegt mir nicht nur fern, sondern ist mir nachgerade wesensfremd, irgendwen mit Wissen und Wollen zu verletzen oder sich auch nur schlecht fühlen zu lassen. Erziehungssache, ist halt so.

Respekt ist vermutlich die fundamentalste Regel, die mir in meiner Kindheit beigebracht wurde. Respekt vor allem, was lebt, vor jedem Menschen, gleich welcher Herkunft oder welchen Standes, Respekt vor dem Küchenmädchen ebenso wie vor dem Fürsten, vor dem Hausmeister wie vor dem Professor – für jede Übertretung, jede Ungleichbehandlung, jede Überheblichkeit hätte man mir (völlig zu recht) die Ohren langgezogen. Es war und ist ein Respekt, der sich aus der profunden christlichen Überzeugung speist, daß alle Menschen gleichermaßen wertvoll, gleichermaßen berechtigt und gleichermaßen von Gott geliebt sind, ein Respekt, der tief in Demut und Dankbarkeit für eine fraglos privilegierte Herkunft, im Verantwortungsgefühl für alle, denen es weniger gutgeht und in einer universellen, grundsätzlichen Menschenliebe wurzelt. Diese Werte durchdringen mich bis heute und schlagen sich nicht nur in sozialem und politischem Engagement oder in meinen Schriften und Beiträgen zum öffentlichen Diskurs, sondern auch darin mehr als deutlich nieder, der Putzfrau die Türe aufzuhalten und mich beim Müllmann für die Entsorgung meiner Abfälle zu bedanken.

Umso perplexer war ich zunächst ob der heftigen Reaktion, die ein vielleicht nicht eben geschmackvoller, aber doch ganz offenbar auch nicht aus Haß oder rassischem Überlegenheitsgefühl erwachsener Scherz hervorrief. "It's not your decision how I feel about it", war die Antwort meiner Kollegin, als ich das zu erklären versucht habe.

All das hat mich nachdenklich gemacht. Selbstverständlich sollten wir alle achtsam sein gegen unseren Nächsten, auch und gerade in dem, was wir wie sagen. Ebenso offensichtlich scheint mir jedoch, daß die nervöse Überempfindlichkeit, die in den letzten Jahren gegen jede noch so geringfügige "politische Unkorrektheit" entstanden ist, dem gesellschaftlichen Miteinander und der Debattenkultur auch nicht guttut. Denn erstens verlocken allzu restriktive Regeln erstrecht zur Übertretung, und die Extreme werden lauter. Wo Pipi Langstrumpf oder Sternsinger auf einmal rassistisch sind, ist Empörung absehbar. Und zweitens entwerten wir unsere Begrifflichkeit und damit unser Vermögen, die Phänomene unserer Zeit sprachlich zu erfassen, zu beschreiben und damit die Voraussetzung für ihre Lösung zu schaffen, wenn wir die härtesten, die absolutesten Formulierungen inflationär gebrauchen und schon gegen die kleinsten Verfehlungen die schwersten Wortgeschütze auffahren.

Wenn mein dummer, gedankenloser Spruch "extrem rassistisch" war, wie bezeichnen wir dann das Anzünden von Asylantenheimen, das Totprügeln von Mitmenschen anderer Hautfarbe, die alltäglichen Hetzreden und Vergasungsphantasien auf Facebook? Welche Begriffe bleiben für das abgrundtief Böse, wenn schon über das Geschmacklose sprachliche Höchststrafen verhängt werden? Wie beschreiben wir Haß und Grausamkeit, wenn eine blöde Stichelei bereits das gesamte Arsenal verbaler Gegenwehr mobilisiert? Und vor allem: Wie reagiert der Durchschnittsmensch, wenn man ihn aufgrund einer gefühlten Petitesse niederbrüllt? Mit Einsicht? Oder eher mit Trotz und dem unbedingten Willen, seine Grenzen beim nächsten Mal vielleicht noch weiter und provokanter auszureizen, mehr Tabus zu brechen aus falsch verstandener Widerständigkeit? Bei den AfD-Anhängern und PEGIDA-Spazierern ist diese Spirale deutlich zu beobachten. Zum Verständnis: Meine Reaktion ist das nicht; ich gebe es nur zu Bedenken.

Nein, den Rassismus-Schuh ziehe ich mir nicht an. Dazu ist mir die Beurteilung des Sachverhaltes zu wenig kontext- und persönlichkeitsbezogen, zu platt, zu undifferenziert. Weil es sich im scheinmoralischen Glanz der politischen Korrektheit einfach gut leuchten läßt – eine relativierende Betrachtung nimmt da nur den Schwung aus der lustvollen Heftigkeit des Urteils. Wenn jemand sich gekränkt fühlt, bin ich jederzeit bereit, mich zu entschuldigen. Die Deutungshoheit über meine Motivation oder meinen Charakter jedoch werde ich nicht den Hysterikern überlassen.

Lustige Fußnote übrigens: Die empörte Kollegin, eine mit einem Deutschen verheiratete Schottin, die in Deutschland lebt und arbeitet und fließend Deutsch spricht, und der es nicht zu hochgegriffen war, mich "extremely offensive" zu nennen, hat sich – ihren Maßstäben nach – selbst einigermaßen "offensive" verhalten. Ein Gespräch, das wir dieser Tage hatten, habe ich bewußt auf Deutsch begonnen. Sie aber hat konsequent nur Englisch gesprochen, bis ich mich, nach einigen erfolglosen Versuchen, beim Deutschen zu bleiben, eben angepaßt habe. Ich darf mich nun wohl in meinem eigenen Land sprachlich diskriminiert fühlen, linguistisch unterdrückt und kulturell beleidigt. Denn Sprache ist Macht, Sprache ist Herrschaft. 'Stell dich nicht so an', mag man entgegenen, 'das ist nun mal Eure Arbeitssprache, und solche Kleinigkeiten sind wohl schwerlich Diskriminierung!' Aber wie sagte sie selbst so schön: "It's not your decision how I feel about it!"

Freitag, 11. Oktober 2019

An impact that matters

Sie bewegt sich auf mich zu, klein, gebückt, in langsamen, schlurfenden Schritten, als habe sie Schmerzen in den Beinen. Einen uralten, leichten Anorak trägt sie, dazu die billigste Jeans, die man sich vorstellen kann, und ebensolche Turnschuhe. Das einzige Dekoelement ist ein schwarz-rot gemustertes Tuch, das sie, einen langen Zipfel auf der Brust, den anderen auf dem Rücken, um ihren Hals trägt. Sie mag um die 70 sein; ihr Gesicht ist rund und zeigt den Ausdruck jener duldsamen Gutmütigkeit, die langes Leiden hervorbringt. Von ihrem Kopf hängt bis auf Kinnlänge strähniges, dünnens Haar, das aussieht, als sei es eine Weile nicht gewaschen worden, aschgrau, genau wie ihre ungepflegte Haut.

Ich sehe sie ein, zwei Leute ansprechen, die den Kopf schütteln, und mir ist klar, was jetzt kommt. "Können Sie mir vielleicht mit etwas Kleingeld helfen?" sagt sie mit einem verlegenen Lächeln, das schlechte Zähne zwischen ihren spröden Lippen preisgibt. "Ich habe keinerlei Kleingeld dabei!" lüge ich reflexhaft, denn allzu viel hört man von organisierten Bettlerbanden und kriminellen Kartellen, und ich meine, in ihrer leidenden Gutmütigkeit nun eine verzweifelte Note wahrzunehmen. Sie geht weiter, und im selben Moment überrollt mich eine Welle tiefer Scham.

Da sitze ich überhebliches Arschloch in meinem Maßanzug und mit einer Rolex am Handgelenk, die vermutlich mehr gekostet hat, als diese Frau im Jahr an Rente bekommt, warte mit meinem Erster-Klasse-Ticket auf den Zug, der mich in die teuerste Stadt Deutschlands fährt, in der ich ein mehr als komfortables Leben führe - und lüge aus purem Vorbehalt dieser ganz gewiß nicht kriminell organisierten deutschen Rentnerin vor, die vier Euro fünfzig Wechselgeld vom Taxi gerade eben nicht in der Westentasche zu haben. Ich schaue ihren weiterhin erfolglosen Versuchen zu, den Menschen fünfzig Cent abzubetteln, und ekele mich vor mir selbst. Meine Finger gleiten in die Westentasche, zu den Münzen. "Schauen Sie, ich habe doch noch was gefunden!" - ja, das könnte ich sagen. Aber für die Schäbigkeit meiner ersten Reaktion ist das keine ausreichende Wiedergutmachung.

Also nehme ich einen Zehn-Euro-Schein aus meiner Brieftasche - Himmel, selbst das scheint mir kleinlich; zehn Euro, oder auch zwanzig, gebe ich für einen Drink aus, ohne auch nur drüber nachzudenken - und gehe der Frau hinterher. Gerade als ich sie erreiche dreht sie sich um und steht direkt vor mir. "Es muß ja nicht immer Kleingeld sein!" sage ich und reiche ihr den Geldschein. Etwas ungläubig starrt sie auf meine Hand, nimmt dann den Schein, und ihr Gesicht erstrahlt. Lächelnd sieht sie zu mir herauf, mit ihren schlechten Zähnen und den porösen Lippen, nimmt mich fest in den Arm und sagt mit bebender Stimme: "Das ist so nett von Ihnen! Jetzt kann ich nach Hause fahren!" Und ich erwidere die Umarmung, drücke sie an mich und lächele zurück. "Danke vielmals", sagt sie dann, meine Hand in ihren haltend, "ich wünsche Ihnen, daß Sie das niemals tun müssen! Ich habe immer gearbeitet, und jetzt bekomme ich 700 Euro Rente im Monat, sammele Flaschen und muß Leute um Kleingeld bitten!" Und wir unterhalten uns ein wenig. Es sei so schwer, erzählt sie, und ich solle bloß nicht krank werden und in Frührente gehen müssen - dann sei ich verloren! Niemals solle mir das passieren, das wünsche sie mir. Und eine gute Heimfahrt. Und sie küßt meine Hand, die sie immer noch festhält, und mir steigt ein Kloß in den Hals. Dann trennen wir uns.

"Making an impact that matters" lautet das Motto des Beratungsunternehmens, in dessen glanzvoller Zentrale ich die Arbeitswoche verbracht habe. Jetzt, auf dem Bahnsteig, in der dankbaren Umarmung dieser elenden kleinen Frau habe ich verstanden, was das wirklich heißt.

Mittwoch, 4. September 2019

Gegensatz, Aufgabe, Chance

Die Globalisierung und der neue Nationalismus

Während die großen Konzerne der Welt die Globalisierung vorantreiben, entsteht in vielen Ländern rund um den Globus, besonders aber in Europa und den Vereinigten Staaten, zunehmend ein neuer Nationalismus. Was in den Gesellschaften als unterschwelliges Randphänomen schon immer vorhanden war, hat durch regionale Konflikte, Kriege, Hungersnöte, wirtschaftliche Miseren und die dadurch ausgelöste Massenmigration, aber auch durch eine wachsende Angst vor der Größe, Macht und Intransparenz der Wirtschaftsgiganten einen Auftrieb bekommen, den es sehr wachsam zu beobachten und nach Kräften einzudämmen gilt.

Ganz unverständlich ist es nicht, dass Otto Normalverbraucher ein gewisses Misstrauen gegen die marktbeherrschenden Konzerne entwickelt. Immer globaler werden ihre Netzwerke, immer komplexer die Strukturen und Abhängigkeiten, und immer weniger durchschaubar die steuerlichen Tricks, mit denen nationale Abgaben minimiert werden. Die Kehrseite der Globalisierung ist ihre Intransparenz, und Intransparenz erzeugt nun einmal eine instinktive Ablehnung. Dazu kommt, dass nicht nur Kriege und Diktaturen, sondern auch die internationale wirtschaftliche Verflechtung Wanderungsbewegungen erzeugt, die alte Identitätsmuster verändern. Die Welt, in der wir leben, erfordert ein Um- und Neudenken, und das kann nicht bei jedem mit der rasanten Entwicklung Schritt halten. Die anfängliche Ablehnung, die man in der Wirtschaft aus jedem Veränderungsprozess kennt, ist also nachvollziehbar.

Unschön ist hingegen, wie sich diese Ablehnung manifestiert – nationalistische, fremdenfeindliche und rassistische Töne werden lauter; rechtsradikale Parteien erzielen zweistellige Wahlergebnisse, und die öffentliche Debatte ist zunehmend von Aggressivität und Intoleranz geprägt. Und auch unter dem Banner (vorgeblicher) linker Überzeugungen wird gegen die Globalisierung aufbegehrt – die Bilder des in Hamburg wütenden Schwarzen Blocks bleiben in eindrücklicher Erinnerung. Die politische Entwicklung scheint der immer globaler werdenden Wirtschaft geradezu entgegenzulaufen – ein Kontrast, den es im Interesse unseres Wohlstandes und gesellschaftlichen Friedens dringend zu lösen gilt.

Politik und Wirtschaft – eine lebenswichtige Partnerschaft

Selbstverständlich sind Politik und Wirtschaft nicht kategorisch zu trennen. Regierungen und Konzerne haben zum Teil gemeinsame Interessen und pflegen international eine ähnliche Art von Beziehungen. Staatsoberhäupter gehen mit Top-Managern auf Reisen und werben für Investitionen und Kooperationen. Die Politik schafft in weiten Teilen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, und dieses Zusammenspiel ist grundsätzlich auch gut und richtig. Kritiker äußern jedoch vermehrt den Eindruck, dass sich die Machtverhältnisse umgekehrt haben und die global agierenden Konzerne, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen und meist nur an lokale Jurisdiktion gebunden sind, durch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten die Politik steuern.

Es ist nicht zu leugnen, dass ökonomische Gegebenheiten einen erheblichen Einfluss auf das politische Klima haben. Wenn große europäische oder chinesische Konzerne in Afrika Ressourcen ausschöpfen und mit billigen Produkten lokale Märkte gefährden, sind Unruhen, Flucht und Migration nur eine logische Konsequenz. Für eine gute Zukunft muss die Wirtschaft also etwas in ihr Selbstverständnis integrieren, dass bisher lediglich eine Aufgabe der Politik zu sein schien: einen Blick fürs große Bild, ein Verantwortungsbewusstsein, das über die naheliegenden Interessen und reines Profitstreben hinausgeht und Werte wie Ethik, Gerechtigkeit, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit in die geschäftlichen Aktivitäten integriert.

Der Kampf um die Zukunft – ein kollektives Interesse

Viele Unternehmen haben das verstanden und übernehmen die Verantwortung, die ihrer wirtschaftlichen Macht entspricht. Immer mehr Firmen achten auf Nachhaltigkeit und soziale Verträglichkeit, fördern Entwicklungsprojekte und gehen bewusst mit Ressourcen um. Neue Technologien werden entwickelt, neue Geschäftsmodelle eingeführt. Besonders die Automobilindustrie, von der in Deutschland jeder sechste Arbeitsplatz abhängt, ist längst dabei, die großen Zukunftsthemen wie autonomes Fahren und Elektromobilität voranzubringen.

Und hier wird auch die Politik wieder aktiv: Eine zukunftsfähige Wirtschaft und ein Leben in Frieden und Wohlstand ist nun mal ein gemeinsames Interesse und erfordert ein Maximum an Kooperation. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat bereits 2018 angekündigt, der Wirtschaft bei bedeutenden Zukunftsthemen helfen zu wollen und ein Konzept aus den zwei Säulen "stärken" und "schützen" entwickelt. Durch Förderungen und gesetzliche Rahmenbedingungen soll die deutsche Industrie ihr enormes Potenzial an Innovation und Leistung optimal entfalten können.

Herausforderung und Chance – ein Blick in die Zukunft

Die Zukunft geht uns alle an, unsere Kinder, unsere Familien, unsere Kollegen und eben uns selbst. Jeder hat eine Chance, sie mitzugestalten. Und insbesondere von denen, deren Einflussmöglichkeiten aufgrund ihrer Wirtschaftskraft besonders groß sind, wünscht man sich verantwortungsvolle Entscheidungen und Weichenstellungen, die in eine auch morgen noch lebenswerte Welt führen. Und in erfreulich vielen Fällen wird dieser Wunsch auch erfüllt.


Anmerkung: Dies ist einer der Artikel, die ich dieses Jahr – wie schon die letzten drei Jahre – für das Mandantenmagazin einer mittelgroßen Wirtschaftskanzlei verfaßt habe. Er soll nun rausgenommen werden. Man wünscht nichts "Politisches". Ich finde diesen Mangel an Courage und Haltung bedauerlich - gerade einer Kanzlei, die ihr Geld mit der Beratung von Unternehmen verdient, stände eine ethische Positionierung gut an. Nun nutze ich den Artikel eben selbst.

Donnerstag, 27. Juni 2019

Fußnote

Immer wieder stolpere ich über die Bezeichnung "Deutsch-Türken" für unsere Mitbürger türkischer Herkunft. Ich bin dringend gegen dieses Wort. "Deutsch-Türke" impliziert zuvörderst "Türke mit noch irgendwas".

Nun ist mir klar, daß manche genau das sein wollen - ich habe einen jungen Mann, dritte Generation in Deutschland, im Interview sagen hören: "Ist mir doch egal, wo ich geboren wurde und welchen Pass ich habe - ich bin Türke!" Das ist freilich problematisch und wirft die Frage auf, warum viele Familien emotional nicht in Deutschland ankommen. Aber auf ebensoviele, die hier geboren und aufgewachsen sind, trifft eben auch zu, daß sie Deutschland - völlig zu Recht! - als ihre Heimat ansehen.

Die Amerikaner machen das geschickter: Ein "Italo-American" ist eben zunächst ein "American" mit italienischem Hintergrund. Bei uns bleibt der Ausländer auch sprachlich ein Ausländer. Warum sind unsere Mitbürger türkischer Herkunft also keine Turko-Deutschen?

Sprache schafft Bewußtsein. Wo eine Formulierung ab- und ausgrenzenden Charakter hat, wird echte Integration derer, die gerne Deutsche sind und sich für diese Gesellschaft engagieren, erschwert.

Freitag, 31. Mai 2019

Ich bin dann mal rechts

Eine Polemik

Man lernt doch nie aus. Schon gar nicht über sich selbst. Nicht mal ich. Mein Leben lang dachte ich, ich wüßte in etwa, wo ich politisch stehe, mit kleinen Unschärfen freilich, denn welche allgemeine Definition politischer Sichtweisen, sofern eine solche überhaupt denkbar oder gar wünschenswert erscheint, ließe sich schon in sämtlichen Feinheiten auf eine einzelne Person anwenden?, aber im Großen und Ganzen doch gefestigt und von ein paar grundlegenden Ideen überzeugt: Freiheit, Gleichheit, Recht, Demokratie, Europa, Pluralismus. Ich hielt mich stets für: liberal. Naja, vielleicht gab es in meiner Jugend Momente, in denen ich mich eher für konservativ gehalten habe oder von anderen dafür gehalten wurde, aber das war fraglos eine Verwechselung - ich bin einfach schrecklich altmodisch, aber das ist eher ästhetischer als moralischer Natur, und schon gar nicht gilt es mir als allgemeiner Maßstab, sondern ausschließlich für mich selbst.

Liberal also - so dachte ich. Möge jeder nach seiner Façon selig werden, nach seiner Lust und Laune leben, lieben, beten, arbeiten, sein persönliches Glück suchen, was auch immer - zutiefst liberal. FDP-Mitglied in Deutschland und auch bei den Liberal Democrats in Großbritannien, herrje, da steht's ja sogar schon im Namen. Liberal. Doch ach, welch kühne Selbstüberschätzung!

Denn sooo einfach, wie ich das aus meiner Jugend kenne, ist es heute längst nicht mehr. Damals, ja, da gab's halt die Konservativen, die waren rechts, das ging da noch problemlos, sie waren ja nicht radikal oder extrem, die wählten CDU und fanden Schwarz-Rot-Gold soweit fein und fuhren schöne Autos; dann gab's die Linken, die irgendwie anti- und international waren, mehr Rot mochten, wenig Geld verdienten, häßliche französische Autos fuhren und so was Proletoides an sich hatten, genau das jedoch gerade gut an sich fanden; es gab die frisch gegründeten Grünen, die Bäume mochten und Müsli aßen, sehr schlecht gekleidet waren und gar keine Autos fuhren; und es gab so eine komische kleine Partei, die immer die Mehrheiten ermöglichte und den Außenminister stellte, etwas von Leistung erzählte und der national oder international egal war, solange man nur genug Geld verdiente. Fertig. Am 1. Mai gab's in Berlin Randale, und so ganz wenige Neonazis gab's auch irgendwo, aber die waren dumm und häßlich und hatten weder Haare noch echte Themen.

Heute jedoch ist vieles anders. Deutschland, Europa und die Welt haben sich verändert; es gab eine Wiedervereinigung und 9/11, viiiel mehr Ausländer, und nicht nur nette, sind jetzt da und liefern den Neonazis eben doch echte Themen, weil's halt nicht immer problemlos läuft mit den Kulturen. Plötzlich ist der Islam, den ich allenfalls aus dem Religionsunterricht kannte, ubiquitär und für manche obendrein Grundlage einer höchst politischen Agenda. Alles sehr viel ungemütlicher als in der kuscheligen Bonner Provinzrepublik, aber so ist es nun. Das Dumme ist nur, und mein etwas träger rheinischer Geist beginnt erst langsam, das zu verinnerlichen, daß mit all diesen Veränderungen auch unser Denken, unsere politische Landkarte und unsere Diskurskultur eine völlig neue Form angenommen haben. Was du heute politisch bist, wird nicht mehr daran bemessen, woFÜR du eintrittst, sondern woGEGEN du nicht oder zumindest nicht deutlich genug bist. Oder so.

Ein Beispiel: Früher galt als Rassist, wer an die Überlegenheit der einen und die Minderwerigkeit der anderen Rasse glaubte. Rasse war meistens relativ klar biologisch, in manchen Fällen (bei den Juden etwa) auch irgendwie schwammig religiös-ethnisch definiert. Fertig. Heute jedoch ist Rassismus jede Art "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit", ganz egal ob Schwarze, Moslems, Alte, Schwule, Behinderte oder Adlige. Gruppen halt. Darf man nicht per se doof finden, weil: Rassismus. Wenn ich also alle Kinderschänder oder alle Terroristen scheiße finde - bin ich Rassist. Na schön, das wird man noch wegargumentieren können. Aber es wird ja noch lustiger: Um Rassist zu sein, muß ich nicht mal alles an einer Gruppe ablehnen. Es genügt, wenn ich an einem sie definierenden Aspekt Kritik übe. Wie zum Beispiel dem Kopftuch als Aspekt des kopftuchaffinen Teils der islamischen Glaubensgemeinschaft: blanker Rassismus. Besser noch: Es braucht nicht mal Kritik. Schon Fragen zu stellen, kann rassistisch sein. Eine akademische Veranstaltung zum Kopftuch? Rassismus. Oder frag mal den Taxifahrer mit dem schweren, rollenden Akzent, wo er herkommt - eine Frage, die in meinem (vermutlich rechts-reaktionären) Erziehungsbild (dem also des höchstwahrscheinlich imperial denkenden, rechten weißen Mannes aus besseren Verhältnissen) eigentlich sehr freundlich gemeint wäre, als ein Ausdruck von zwischenmenschlichen Interesse, kultureller Neugier und Weltoffenheit - aber nee, ist Rassismus. Pech. Biste rechts. Und das Lustigste: wenn man sich für kulturelle Aspekte begeistert, die nicht dem eigenen Kulturraum entstammen, die man aber trotzdem für sich übernimmt - Beispiel: als blonder Deutscher Dreadlocks tragen - ist das kulturelle Aneignung und also - ratet! - Rassismus! Der Rechtsradikale mit Dreadlocks - wär' ich jetzt nicht so drauf gekommen.

Kurz, man hat in den Augen vieler Linker kaum eine reelle Chance, nicht als Rassist, als Rechter gesehen zu werden. Wer sich nicht permanent lautstark gegen Rassismus äußert, macht sich schon verdächtig, rechts zu sein, und wer der falschen Menschengruppe allzu kritische Fragen stellt oder auch nur einen diskursiven Dialog sucht, beweist es unwiderlegbar. Und das ist der Punkt, an dem ich aufgebe.

Nicht etwa den Dialog, oh nein. Auch nicht die Kritik. Schon gar nicht den liebenden Glauben an Austausch, Vielfalt, Toleranz und Freiheit. Sondern jenen Eiertanz, den ich mir in vielen Jahren Facebook-Debatten völlig unbewußt angewöhnt habe, bloß nichts zu sagen, das dem sich immer enger um jeden Diskurs schlingenden Maßstab daran, was rechts oder rassistisch ist, Anlaß geben könnte, mich in der rechten Ecke zu verorten. Gott weiß, da gehöre ich nicht hin. Wie schon mein Großvater in den 30er Jahren verachte auch ich zutiefst das Viehische, das Pöbelhafte, Laute und Gewalttätige, das Kollektive und Stumpfsinnige, das jeder Faschismus, linker oder rechter, zwingend an sich hat. In zehn kalten Wintern fiele mir nicht ein, die AfD zu wählen oder einen Pegida-Spaziergang mitzumachen (gibt's die eigentlich noch?).

Aber ich werde ebenso nicht nachlassen, einen politischen Islam zu kritisieren, der uns erzählen will, welche Rechte Frauen nicht haben, wer sich wie zu kleiden hat oder wer mit wem schlafen darf. Ich werde mich äußern, wenn ich das Gefühl habe, daß kulturelle Veränderungen eben keine Bereicherung mehr sind, sondern eine Gefahr für die Werte, die unsere Gesellschaft gut und stark machen, erstrecht, wenn solche Gefahrenherde von unserer Regierung immer noch als politische Partner gesehen werden. Ich werde immer gegen Unterdrückung und Bevormundung sein, auch wenn sie von Menschen anderen Glaubens oder anderer Hautfarbe ausgehen, denn mit dem plumpen Vorwurf, rechts zu sein, wird sich das Benennen von Problemen nicht ewig unterdrücken lassen.

Wenn eine so simple Definition von "rechts" nun also diskursbestimmend ist, dann sei's drum, bin ich eben rechts. Die Nomenklatur muß mir bei soviel Unfug, soviel Schwachsinn und vor allem: so viel, was derzeit dringend ausgesprochen, angegangen und gelöst gehört, nun wirklich egal sein. Wir leben immer noch in einem großartigen Land. Und ich möchte, daß das für jeden einzelnen, der hier in Frieden lebt, die Gesetze achtet, seine Mitmenschen respektiert und sein Glück sucht, ganz egal, welchen Glaubens, welcher Hautfarbe oder welcher sexuellen Neigung, so bleibt.

Sonntag, 28. April 2019

Auf dem Zauberberg

Eindrücke von meinem Besuch im Waldhotel Davos – gewidmet meiner Frau in liebender Dankbarkeit für diese zauberhafte Reise im November 2018, und meinem Freund Christopher, der wie kaum ein anderer verstehen wird, was ich hier erlebt habe.

Angekommen an jenem Orte, der wie kaum ein anderer greifbar, begreiflich geworden ist in einem Stück Weltliteratur – Thomas Manns "Zauberberg" nämlich, durch den ein Sanatorium unsterblich wurde, das längst keines mehr ist. Zum allerersten Male bin ich an dieser dem Geiste bereits so vertrauten Stätte, mit dem Zuge angereist, so wie es die epische Vorlage vorgibt, und sogleich legt sich über das Bild des modernen Waldhotels eine Folie historisch-literarischer Tiefsichtigkeit, die das vergangene Leben und Sterben "derer hier oben" seltsam nebulös auferstehen läßt.

Das Waldhotel ist komfortabel und erfüllt alle zeitgemäßen Standards, und zugleich pflegt man das Erbe der Vergangenheit hier sehr liebevoll. Versatzstücke des "Originals" machen es leicht, die erloschene Welt des Zauberbergs wie ein milchiges Doppelbild auf die Gegenwart des modernen Hotels zu legen. Die Decke im Speisesaal, die im Laufe der Jahrzehnte mehrfach abgehängt und zwischenzeitlich aufs Grausigste entstellt worden war, ist inklusive der markanten Lampen wieder ganz so hergerichtet wie sie damals war; nach historischem Vorbilde angefertigte Sessel und Stühle zitieren respektvoll die ursprüngliche Einrichtung, ebenso die Deckenbeleuchtung in der Bar, wo anstelle des ehemaligen Kachelofens nun ein offener Kamin eine heimelige Atmosphäre verbreitet, und natürlich erinnern ganz unbedingt die exakt nachgebauten Liegen, die auf den nun wieder von originalgetreuen Geländern begrenzten Balkonen zur "Liegekur" einladen und sogar die kamelhaarfarbenen Decken nicht vermissen lassen, an die einstige Heilanstalt.

Überall im Hause hängen Fotographien des alten Sanatoriums, und die Raumaufteilung im Erdgeschoß entspricht ganz dem, was man im Buche beschrieben findet  – bis hin zur Glastür des Speisesaals, die ebendort von Madame Chauchat so geräuschvoll zugeworfen wird. Was im Buch noch Gesellschaftsraum heißt, ist heute die Bar und erfüllt als solche denselben Zweck wie damals. Die beiden Kellner, die dort für unser Wohl sorgen, könnten  geradewegs aus der Belle Epoche in unsere Gegenwart gepurzelt sein und verstärken den Eindruck der temporalen Unschärfe, der Vielzeitlichkeit – der eine ein blutjunger Schweizer Bursche mit kurzem, leicht naturgelockten Haar und einem anachronistischen Oberlippenbart, der andere mit glatter, militärischer Frisur, einem gelangweilten, monokeltauglichen Bubengesicht und einer überraschend sonoren Stimme. Aus dem Lautsprecher tönt leise entspannter Jazz, nicht ganz zeitgenössisch, aber doch vergangenheitlich genug, um die Wirklichkeit des Jahres 2018 verblassen zu lassen.

Ein Zimmer auf dem Korridor, der früher zu den Behandlungsräumen führte, ist – und das hat mich am meisten begeistert – so authentisch wie eben möglich als Patientenzimmer hergerichtet. Ein schlichtes Bett steht darin, ein antikes Waschbecken mit Spiegel, ein weiß lackierter Kleiderschrank und ein paar medizinhistorische Gerätschaften. Am liebsten würde ich mich hier einquartieren, meine Suite mit diesem kargen, weißen Räumchen tauschen, doch für diesmal traue ich mich noch nicht, heimlich eine Nacht in dem alten Bett zu verbringen, dessen Belastbarkeit mir denn doch fragwürdig scheint.

Es ist leicht, für mich zumindest, hier in den Roman einzutauchen und im Angesicht des Neuen den alten Zustand vor dem geistigen Auge zu bewahren. Der Weg vom Zimmer, das alte Treppenhaus hinunter in den Speisesaal und an den Tisch – er ist derselbe, den auch Thomas Manns Frau Katja und, in der Welt des Geistes, Hans Castorp gegangen sind. Es ist berührend, berauschend und beeindruckend, eine milchig schwimmende Überlagerung des Realen mit einem Traum, einer fiktionalen und zugleich tatsächlichen Vergangenheit, denn Patienten und Krankheit und zahllose Geschichten gab es hier ja nun wirklich, genau hier in diesem Räumen. Und wie ich so dasitze, in einem modernen Sessel am Kamin im ehemaligen Gesellschaftsraum, meine ich sekundenweise, sie geisterhaft durch den Raum schweben zu sehen mit ihren Gehröcken und langen Kleidern, dumpf-hallend plaudern und husten zu hören, flüstern und lästern, und ihre Zeit, ihr Leben und ihr Sein schiebt sich in meine Wirklichkeit.

Ich selbst pflege und zelebriere den Anachronismus, hebe mich, wie ich es immer schon liebte und vermochte, widerstandslos von einer Zeitebene auf die andere, trage altmodische Anzüge, dreiteiligen Tweed mit Schiebermütze und Hemden mit unmodischen Krägen, und empfinde meine Sprachmanier der Hans Castorps nach. Meine Frau habe ich sogar dazu gebracht, türeknallend den Speisesaal zu betreten, und das kleine Video davon, das ich bei Instagram gepostet habe, hat uns bei der hochamüsierten Geschäftsführung des Waldhotels noch berühmter gemacht als unser auffälliger Kleidungsstil und alles in allem für eine recht privilegierte Behandlung gesorgt.

Es ist mehr als eine Reise für mich, mehr als nur ein Ortswechsel für begrenzte Zeit. Was ich jahrelang nur als Lesewerk, als sprachliche Schöpfung kannte, wird nun mit allen Sinnen erlebbar; was die Vorstellungskraft in die Geisteswelt entführte, wird hier zum echten Lebensraum, den man begehen und benutzen kann wie schon so viele andere zuvor. Ich bin glücklich über diese Eindrücke und freue mich einmal mehr meiner phantastischen Fähigkeit, auch das Fiktionale, das Vergangene und Geistige so echt und spürbar erleben und empfinden zu können. Und wenn ich, nun wieder zu Hause angelangt, die Augen schließe, bin ich sofort wieder da – auf dem Zauberberg.

Dienstag, 16. April 2019

Brände löschen

Wie unfaßbar, wie herzzerreißend. Ich konnte gestern nicht glauben, was ich da in den Nachrichten sah, und doch wurde mir mehr und mehr zur grausigen Gewißheit, daß nichts auf der Welt ein garantiertes Morgen hat, nichts als sicher gelten darf, was unseren sorglosen, naiven Gemütern so selbstverständlich und ewig gültig erscheint. Und daß wir lieben, pflegen und so bewußt wie möglich mit Leben füllen müssen, was uns wertvoll ist, solange wir es eben können.

Der Brand der Kathedrale Notre Dame und die Zerstörung kultureller Schätze, die er bewirkt hat, schmerzen mich, körperlich spürbar und bis in die Tiefe meiner Seele. Und während ich noch mit den Tränen kämpfe, blubbern aus dem Sumpf der Bosheit, zu dem besonders Facebook immer mehr verkommt, die ersten stinkenden Blasen empor und verbreiten platzend ihr Gift.

Was sind das eigentlich für verdorbene Menschen, frage ich mich, die ihre schiere, bebend unterdrückte Freude über jede Katastrophe nur sehr oberflächlich in Entsetzen und Betroffenheit gewanden - geben sie ihnen doch willkommenen Anlaß, Feindbilder zu projizieren, wirre Verschwörungs- und Umvolkungstheoreme in die Welt zu posaunen und so ihr eigenes, zerstörerisches Feuer auflodern zu lassen. Sofort und ohne jeden Anhaltspunkt wird ein islamistischer Terrorakt insinuiert oder sogar offen behauptet. Es ist abstoßend. Ein AfD-Mann postet gar, der Zusammenbruch von Notre Dame sei symbolisch für Frankreich und das Abendland; wieder sei man "Eurabia" einen Schritt näher.

Das Symbol greife ich gern auf: Notre Dame steht noch, hat den Brand überstanden und wird schöner wiedererstehen als je zuvor! So wie das Abendland, wenn wir stark bleiben und mit der Kathedrale nicht auch unseren Glauben an die Fähigkeit des Menschen, Vollkommenes zu schaffen, an unseren Schöpfergeist und unseren Sinn für Liebe und Schönheit in Rauch aufgehen lassen. Wenn wir genug Löschmittel bereithalten gegen das böse Feuer entseelter Hetzer, und wenn wir entschlossen die Werte verteidigen, die unser Leben gut, lebenswert und im besten Sinne christlich machen - Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Freiheit!

Samstag, 9. März 2019

Ein Leben für die Kunst

Mein Nachruf auf Klemens Pompetzki

Mein Onkel Klemens ist am Sonntag verstorben. Klemens Pompetzki, ein Künstler mit jeder Faser seines Herzens.

Er hat als Bildhauer mit Ton, Stahl und Bronze gearbeitet, als Maler in Öl, Tusche und Aquarellfarben. Er spielte so ziemlich alle Instrumente, und er hat bis in sein hohes Alter von 87 Jahren jeden Tag etwas geschaffen. Ruhelos war er in seinem schöpferischen Trieb, und dazu einer dieser Menschen, denen nie die Phantasie versagt, nie die Ideen ausgehen. In jedem Riß in der Wand, in jeder Wolke und jeder Baumwurzel sah er etwas Tieferes, eine Form, ein Gesicht, eine Geschichte.

Auch mein Leben hat er damit sehr beeinflußt. Als Kind durfte ich tagelang in seiner Werkstatt sitzen und aus Ton die abenteuerlichsten Dinge schaffen. Onkel Klemens hat mich das Ahnen gelehrt, das Sehen und Begreifen der Welt jenseits ihrer vordergründigen Erscheinung, das Hören jenes leisen Liedes, das in allen Dingen schläft. Er hat meinen Sinn für Form, für Schönheit und Ausdruck geschärft und mich in meinem eigenen Bedürfnis nach künstlerischer Verwirklichung gefördert.

Als er starb, war ich nicht da. Ich habe ihn nicht mal zu seinem letzten Geburtstag im Januar angerufen. Ich habe ihn vernachlässigt, seine Präsenz in meinem Leben als zu selbstverständlich vorausgesetzt. Wie ich es mit so vielen Menschen in meiner Familie mache. Und nun, da das Figurenkabinett meiner Kindheit in immer kürzeren Abständen zu schwinden beginnt, wird mir bewußter, wie wundervoll, wie einzigartig jeder einzele von ihnen ist, und was wir aneinander haben, solange wir noch leben. Ich habe Grund zur Dankbarkeit – und zur Achtsamkeit.

Gute Reise, Klemi. Und danke für alles.

Samstag, 15. Dezember 2018

Als meine Liebe starb

Als meine Liebe starb - ich weiß gar nicht genau, ob an Unterernährung, dem Tumor aus Täuschungen oder den inneren Blutungen, die zahllose Schläge verursacht hatten...

...als meine Liebe also endlich starb, spürte ich zunächst - nichts. Gar nichts. So sehr nichts, daß das Vakuum in mir sich schließlich zusammenzuziehen und einen krampfigen Schmerz auszulösen begann. Aber nur kurz. Denn es sog auch Leben an, echtes Leben, echte Gefühle, echte Menschen, die sich kein Selbstbild zurechtlügen, sondern zu sich stehen können. Zu ihren Schwächen. Zu ihrer zarten Seele. Und zu mir. Endlich.

Als meine Liebe starb, ging etwas Großes. Etwas, an das ich geglaubt und auf das ich vertraut hatte. Etwas, das mir Grundlage und Antrieb für alles war, was ich tat. Etwas so Großes, daß es die vielen kleinen Dinge verdeckte, die mich hätten warnen sollen, all die Falschheit, den Verrat unsichtbar, unerkennbar machte oder mich doch wenigstens verlockte, einfach nicht hinzuschauen. Etwas so Großes aber auch, daß es viel Platz hinterläßt, Platz für das Wahre, das Gute, das ohne Betrug und Doppelgesichtigkeit auskommt.

Als meine Liebe starb, endete ein Wunder, das nie eins war, ein Glück, das ich nicht mehr für möglich gehalten hatte, und das auch nicht möglich war. Nicht dort jedenfalls, wo ich es erwartet, wo ich es gesucht hatte. Wo ich gekämpft, geopfert und geliebt habe - und doch verlor gegen den Ungeist der Täuschung. Diese Täuschung, sie verzerrte mich, sie verzerrte sich selbst solange, bis sie sich gefallen und mich verfemen konnte. Sie machte die ganze Welt zu einem Zerrbild und das Gesicht meiner Liebe zu einer häßlichen, lachhaften Fratze. Und die zeigte sie allen.

Als meine Liebe starb, sah ich plötzlich klar. Erkannte jenseits des gefühligen Nebels, was falsch, und fand, was richtig war. Immer schon. Meiner Liebe werde ich gedenken, durch Pflichterfüllung und Großmut. Sie ruht nun in Frieden, wird nicht mehr ausgenutzt und und wartet auf nichts mehr. Ob sie ermordet oder fahrlässig getötet wurde, steht dahin; ich werde diesen Prozeß nicht führen. Es spielt keine Rolle mehr. Denn ich bin endlich frei.

Donnerstag, 22. November 2018

Ich weiß.

Ich weiß. Es hat kein Dach mehr. Eingefallen, ja. Und die Decken, nun ja. Eigentlich stehen nur noch ein paar Außenmauern. Aber die Lage ist toll! Oder? Ich geb's zu. Es ist ganz schön viel kaputt. Eigentlich alles.

Ich weiß. Dich zu bitten, hier einzuziehen, mit mir... das ist eine ganz schöne Zumutung. Es zieht, weil keine Fensterscheibe mehr ganz ist. Nichts hier ist bequem. Nichts ist einfach. Das weiß ich. Es wird eine Menge Arbeit.

Ich weiß. Du willst nicht hier sein. Warum auch? Wer möchte so leben? Ohne Dach. Ohne Heizung. Aber vielleicht überlegst Du es Dir ja noch mal. Denn wenn Du hier bist, dann bauen wir ein Dach. Und eine Heizung.

Ich weiß. Es ist eine Ruine. Mir tut's mehr weh als Dir. Es ist schließlich mein Haus. Aber weißt Du? Es war mal ein wunderschönes Schloß. Und weißt Du? Das kann es wieder werden. Erneuert. Erneut. Wenn wir nur tüchtig dran arbeiten.

Ich weiß. Das klingt nach einem Märchen. Naiv. Ein bißchen zu optimistisch. Aber weißt Du? Du hast es kaputtgemacht. Damals. Das Dach verbrannt, die Fenster eingeworfen. Das tat weh. So sehr. Wenn es wieder ganz werden kann, dann nur mit Dir.

Ich weiß. Du magst das nicht so gern hören. Daß Du mein Haus zerstört hast. Unbewohnbar gemacht. Aber es ist nichts Schlimmes. Es ist eine Chance, die wir beide haben. Es wieder ganz zu machen. Bewohnbar. Ein kleines Zuhause für das Glück.

Ich weiß. Nach all den Jahren weiß ich sehr viel. Über's Bauen, über's Renovieren. Über's Wiederherstellen. Über Dächer und Heizungen. Und über Glück. Deshalb schlag' ich's einfach mal vor:

Laß uns hier einziehen!

Donnerstag, 15. November 2018

Ein Muschelleben

Die Muschel im Meer
hat’s schwer.
Sie ist weich
und zugleich
ist das Leben so hart.
Es erspart
ihr nichts. Kein Land,
nur Salz und Sand
und der zahlreichen Feinde
hungrige Gemeinde.
Drum schützt sie mit Schalen
vor Qualen
ihr Herz,
hüllt den Schmerz
in Stein
und verkriecht sich darein.

Allein.
Von draußen kann kein
Wesen sie sehen,
verstehen,
erkennen und spüren
ihr inneres Rühren,
ihr Sehnen, ihr Hoffen.
Nicht offen
der steinerne Panzer,
mit ganzer
Kraft verschlossen gehalten,
vor Gewalten
die zarte Seele
zu bergen in einsamer Höhle.

Sie sehnt sich nach Leben,
ihr Streben
nach Liebe,
die Triebe,
all das treibt sie an
und sie kann
nicht verhindern,
die Deckung zu mindern,
einen haarfeinen Spalt
öffnet sie – schon wird’s kalt.

Doch eh sie neuerlich hart und gemein
die innere Pein
verdeckt,
sie versteckt
und sich wiederum schließt,
schießt
liebesmutig ein Sandkorn hinein
ganz klein, ganz fein.
Ins Weiche gekuschelt,
ummuschelt,
bekämpft
und gedämpft
mit perlkaltem Weiß
brennt es heiß,
und aus Muschel und Korn
wird Neues gebor’n.

Da spült eines Tages das launige Meer
was her.
Ein lebensmüdes Schalentier
voll Gier
nach Trost und Halt,
schweißkalt
in ziellos-dummem Lauf,
nähert sich, bricht sie auf,
trinkt sich satt.
wird matt.
tut ihr weh,
sagt „ich geh“
und ist weg.
Was ihr bleibt, ist der Schreck.
Doch schon eilt
eh' sie heilt
das Schalentier zurück
hat Glück,
und darf rein
in den schützenden Schrein.

Und da macht es sich breit,
teilt sein Leid,
süß, hitzig, geschwollen
spricht’s von Liebe, von Wollen.
frißt Licht,
spürt nicht,
wie neben ihm die Muschel verdirbt
und stirbt.

Sie verfällt, verwässert, verweht
und vergeht.
Und zurück,
bleibt die Schale, das Stück,
das sie stützte,
ihre Weichheit beschützte,
und noch lange zu sehen
ist, wenn Muscheln vergehen.
Man nennt es wie sie,
erkennt nie,
wer dort lebte,
vor Angst, vor Liebe, vor Leid weich erbebte.

Nun liegt die Schale hohl und leer,
Ein Überrest nur,
doch nicht ohne Spur:
Eine kleine Perle schwimmt durchs Meer.

Freitag, 5. Oktober 2018

Nachtrauschen

Dem Sande

Es wird Abend. Ich verriegele die Tür, schließe alle Fenster. Draußen rauscht das Meer; ich kann es nicht mehr ertragen. Die Flut setzt ein, vulgär, eintönig, eine dumme Wiederholung des ewig Gleichen. Ich gehe nach oben, lege mich ins Bett. Aber immer noch rauscht es, schwillt, steigt. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und sehe es trotzdem: wie es gierig über den Strand herfällt, triebhaft und selbstsüchtig, über jenen geliebten weichen Sand, der mich noch vor Stunden warm und trocken bettete, meine Spur aufnahm und mich zärtlich einlud zu ruhen, mich sicher zu fühlen und für immer zu bleiben.

Es rauscht. Geistlose Wellen rollen sich auf den Sand, nehmen ihn ganz für sich in Anspruch, durchfeuchten ihn besitzergreifend und machen ihn hart und kühl. Ich sehe meinen Sand, wie er sich dem Drängen ergibt, sich teilnahmslos wegziehen läßt in die düstere Tiefe aus Schmutz und Versprechungen, wie die Wellen unsere Spuren verwischen und nichts bleibt vom Tage. Die dumme Macht der Flut treibt mir Wunden ins Herz, wütende Tränen in die Augen. Nichts Warmes und Weiches ist darin. Nichts Liebevolles. Nur Sturheit und Eigensinn und Zigarettenstummel. Ich will das nicht hören. Aber es rauscht. Es rauscht.

Schlafen kann ich nicht, wissend, was draußen geschieht. Ich gehe die Stiege hinunter. Ein Tee wäre gut. Unter meinen Füßen knirscht ein wenig Sand. Nicht weich. Nicht warm. Ein paar einzelne Körnchen, die ich mit hereingeschleppt habe, Erinnerungen, die langsam den Boden zerstören, auf dem ich gehe. Schleifend, reibend, scharf und kalt. „Mein Sand…“ seufze ich. Kurz überpfeift der Teekessel das Meer. Aus dem Becher dampft es warm. Aber das Rauschen ist stärker. Es bleibt in meinem Kopf, bis der Morgen graut.

Dienstag, 12. Juni 2018

In the face of liberty

In English, by popular request

I almost didn't come here. Out of sheer laziness; it's been a long day, and I'm exhausted. But I'm not in this town that often; the last time was 29 years ago. So, I pulled myself together and went over here. To the World Trade Center Memorial. To Ground Zero. And it is proving to be the most important, the most moving stop of my all-day walk through this inimitable, ravishing New York.

The two large basins, which are set into the ground exactly where the two towers used to stand, are wonderfully condign and live up to the significance of the location. From a distance, they are rather inconspicuous, focusing more on profoundness than on being monumental. They only unfold their grand, touching effect when one stands at their edges that precisely retrace the basic shape of the original World Trade Center and imprint it forever into the ground of the city. This place is determined and impressive enough, American, self-confident, yet modest and humble, a steady swoosh of silence and commemoration.

The black metal balustrade with the many, many names, in whose letters roses or flags are stuck here and there, creates respectful distance and makes the area of the horrific event of 11 September 2001 inaccessible like sacred ground. Water falls from the walls of the basins, several metres down into the deep, rushing, unstoppable, almost quoting the sound of collapsing buildings, steady though, not bringing about a terrible, incomprehensible final state, but permanent, so that it calms and reconciles one in a touching way, as eternal, as unflinching and powerful as freedom itself, which the insane act of that day could not destroy.

In the middle of each basin is a rectangular shaft, deep enough that one cannot see any ground, any physical end from the edges, which creates an illusion of infinite depth, but not a desperate depth of irretrievable oblivion, into which the water collecting flatly plunges down a second time, but a depth that leads directly to the ground of our being, into the foundation of ideas our life is based upon, to freedom itself that carries us powerfully without us seeing it.

There I stand, deeply moved, and at once three time levels start overlapping like milky pictures: The day in the summer of 1989 when I was so proud to go up to the World Trade Center and felt so urbane as I enjoyed, even absorbed the uplifting view over a sunlit Manhattan; today, this hazy day in June 2018, when the houses that excited me so much back then no longer exist, and instead I find two deep, swooshing basins in their place, in their shape, on which the names of thousands of dead are engraved; and that horrible 11 September in between, when the world I knew changed irrevocably. Here I stand looking up. It seems unimaginable that in this very airspace above me people once worked, chatted, joked, hoped and acted; unimaginable that somewhere up there, 415 metres above me, there is a piece of space that I once filled with this body that now stands at a rushing pool and looks up in disbelief and anxiety to its former self, which stands upon the old World Trade Center ghostly rising in front of me, and feels wonderful. Everything becomes one; I feel as if I look up from below and, at the same time, down from above onto the basins in the ground, hardly comprehending what I’m seeing when suddenly the first airplane approaches and hits the foggy tower below me and above me, and my vision dissolves in a ball of fire. The fear, the certainty of death, the last calls and text messages to the loved ones, the falling and jumping people, everything screams out loud in my head in horror – and dies away in the swoosh of the basin where I am standing today, in 2018.

Silently I walk down the Esplanade for quite a while and sit down on a bench. In the distance I can see the Statue of Liberty, this symbol of how we want our lives to be – free, hopeful and without fear and threat. And in the face of liberty, I feel a fearful uncertainty within me, the hushed question of whether the atrocities of 11 September have not reached their goal after all. So many people, here as in Europe, seem to be willing, out of sheer fear for their freedom, to paradoxically restrict it for the sake of a deceptive safety, and entrust themselves to the preachers of putative strength, simple solutions and clear concepts of enemies. Many people have absorbed the hatred that drove the terrorist acts and see hostility even in a language, a skin colour or a religion. The world has become more suspicious, more aggressive and inhumane, and this has always been the greatest threat to freedom. Greater than terror, greater than religious or political fanaticism.

Twilight sets over New York; Lady Liberty lights her torch. And I hope quietly that what she stands for will prevail against all temptations:

Our freedom.